Altmedikamente
Alte Pillen mit Potenzial

24.03.2022 Im Chemikum der Friedrich-Alexander-Universität (FAU) Erlangen-Nürnberg stapeln sich seit einiger Zeit abgelaufene Schmerztabletten, Antibiotika und Blutdrucksenker.

Medikamentenpackungen werden oft nicht aufgebraucht. Recycling wäre ein Verwendungszweck.
© Foto: Pixabay
Medikamentenpackungen werden oft nicht aufgebraucht. Recycling wäre ein Verwendungszweck.

In einem Forschungsvorhaben haben sich Prof. Dr. Markus Heinrich, Professor für Pharmazeutische Chemie an der FAU, und sein Team die Rückgewinnung von Wirkstoffen aus alten Arzneimitteln und deren kommerzielle Verwertbarkeit vorgenommen. „Jährlich werden große Mengen an Altmedikamenten über den Hausmüll entsorgt und dann verbrannt. Die enthaltenen Arzneistoffe sind jedoch wertvolle Chemikalien und haben großes wirtschaftliches Potenzial, das in Deutschland bisher nicht ausgeschöpft wurde“, so Heinrich. „Wir wollen die Forschung nachhaltiger gestalten, indem wir teure Wirkstoffe aus Arzneimitteln wieder nutzbar machen.“

Rückgewinnung verfolgt gleich zwei Umweltziele

Nicht nur die Ressourcenverschwendung, sondern noch ein anderes Problem bringen alte Medikamente mit sich. Laut einer Studie des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) werden weitaus nicht alle Altarzneimittel fachgerecht im Hausmüll, über Apotheken oder den Wertstoffhof entsorgt: Rund 43 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gaben demnach an, mindestens gelegentlich flüssige Arzneimittel in Toilette oder Waschbecken zu entsorgen, bei Tabletten waren es 16 Prozent. Die Sorge dabei: Wirkstoffe landen über das Abwasser im Wasserkreislauf, was zum Beispiel zu einer erhöhten Antibiotikaresistenz in der Bevölkerung führen könnte. „Das Projekt der FAU verfolgt zwei Umweltziele“, sagt Dr. Volker Berding, DBU-Referent für Ressourcenmanagement und fachlicher Betreuer des Projekts. „Zum einen die Vermeidung von Arzneimitteleinträgen in die Umwelt durch nicht fachgerechte Entsorgung und zum anderen eine erhebliche Ressourcen- und Energieeinsparung durch die Wiederverwertung von Wirkstoffen.“

Für ihr Forschungsvorhaben sammelt das Team zunächst abgelaufene Medikamente ein, die bei kooperierenden Deponien und Wertstoffhöfen, in Apotheken sowie Arztpraxen im Umkreis oder bei der eigens eingerichteten Sammelstelle am Chemikum der FAU abgegeben werden. Danach erfolgt die Aufbereitung der Substanzen im Labor. „Darin besteht der Kern unserer Forschungsarbeit: günstige Verfahren für das Abtrennen der Hilfsstoffe zu entwickeln und Wirkstoffe für Forschung und Praktika wieder nutzbar zu machen“, sagt Heinrich. Anschließend folgt eine Qualitätskontrolle für die Vermarktung, allerdings nicht mehr für medizinische Zwecke. Die zurückgewonnenen Wirkstoffe können laut Heinrich je nach Reinheit als Forschungschemikalien, bei der Lebensmittelkontrolle oder für die Wirkstoffentwicklung in der medizinischen Chemie genutzt werden. Den Angaben zufolge verläuft das Projekt sehr erfolgreich: „Uns erreichen große Mengen alter Medikamente“, so der FAU-Professor. „Da uns mittlerweile zahlreiche Verfahren für die Rückgewinnung der Wirkstoffe zur Verfügung stehen, können sich ab sofort interessierte Forscherinnen und Forscher mit Anfragen an uns wenden.“

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