Am Gordischen Knoten gescheitert
Die werkstoffliche Verwertung stößt bei Abfall-Mischfraktionen an ihre Grenzen

03.11.2020 Ziel eines effizienten Ressourcenmanagements ist es, Materialien so effizient wie möglich einzusetzen und nach der Entsorgung dem Kreislauf in einem möglichst hohen Maße wieder zurückzuführen. Dies drückt sich vor allem in der gesetzlich geforderten Recyclingfähigkeit von Produkten aus. Das Erreichen dieses Zieles ist im Bereich neuer Verbundwerkstoffe oder gemischter Abfälle derzeit eine der größten Herausforderungen an die Produkthersteller und die Verwertungsbranche.

Gemischte Abfälle, wie in diesem Fall verschlungene Netze und Taue, stellen die Recyclingwirtschaft vor teils unlösbare Probleme. Eine werkstoffliche Verwertung ist selbst nach aufwändiger Aufbereitung bislang fast unmöglich und kaum wirtschaftlich.
© Foto: NABU e.V
Gemischte Abfälle, wie in diesem Fall verschlungene Netze und Taue, stellen die Recyclingwirtschaft vor teils unlösbare Probleme. Eine werkstoffliche Verwertung ist selbst nach aufwändiger Aufbereitung bislang fast unmöglich und kaum wirtschaftlich.
Die ständig steigenden Anforderungen an Produkte, deren Eigenschaften und besonderen Einsatzgebiete sowie die Einbindung von Umweltaspekten bei der Entwicklung und Anwendung von Produkten lassen neuartige Materialien in besonderem Maße entstehen. Besonders leichte oder widerstandsfähige Stoffe sind das Ergebnis. Hierzu zählen neuartige Verbundstoffe wie kohlenfaserverstärkte Kunststoffe (CFK).

Mit diesen neuen Verbundstoffen ist zwangsweise auch die Fragestellung nach der Recyclingfähigkeit verbunden. Hierbei sollte das Hauptaugenmerk z.B. nicht nur auf der Kohlefaser liegen. Anhand geeigneter Technik muss es das Ziel sein, die Effizienz der Sortierfähigkeit bestmöglich zu gestaltet, damit der größtmögliche Anteil der Einzelmaterialien einer Verwertung angedient werden kann.

Eine weitere Materialgruppe mit einer großen Herausforderung an die werkstoffliche Verwertung stellen gemischt anfallende bzw. gesammelte Stoffströme dar. In den letzten Jahren rückte vor allem das Thema Abfälle in den Weltmeeren und damit die Fragestellung nach der Recyclingfähigkeit von Stoffgemischen, die aus Gewässern an Land zur Entsorgung gebracht werden, ins Zentrum der Diskussion. Auch hier ist die Recyclingfähigkeit von der Sortierbarkeit der Einzelmaterialien aus dem Materialgemisch abhängig. Dabei wurden an der Hochschule Magdeburg-Stendal insbesondere Netze, Taue bzw. Stellnetze aus der Nord- bzw. Ostsee untersucht.

Bei CFK handelt es sich um Verbundstoffe aus Kohlenstofffasern und spezifischen Harzsystemen. Bei Verbundmaterialien gleichen die Vorteile der einzelnen Werkstoffe ihre Nachteile aus. Durch den Verbund weist das Material gute Belastungseigenschaften in alle Richtungen und eine sehr gute Widerstandsfähigkeit auf. Je nach Anwendung werden die beiden Komponenten in unterschiedlichen Verfahren zusammengefügt.

 © Foto: Boeckh


Für die Aufbereitung besteht die Möglichkeit der mechanischen Beanspruchung, wobei der Verbund dadurch zerkleinertn wird. Dabei können die Einzelkomponenten nicht mehr verwendet werden; eine werkstoffliche Verwertung ist nur unter erheblichenm Qualitätseinbußen möglich.

Ein weiterer Ansatz der Aufbereitung von CFK-Materialien verfolgen solvolytische Verfahren. Bei der Solvolyse ist es das Ziel, die Bindungen des Polymers aufzubrechen und dann das Material als Monomer mit Hilfe eines Lösemittels zu lösen. Erschwerend kommt hier der Fakt hinzu, dass unterschiedliche Polymere und Harzsysteme bei der Herstellung von CFK eingesetzt werden, welche wiederrum einen Einfluss auf das Recycling haben. Die am häufigsten eingesetzten Harze sind Epoxid- und Vinylesterharze.

Fasern separiert

Mit Hilfe der Solvolyse besteht die Möglichkeit, die Harzbestandteile zurückzugewinnen und die Fasern unbeschädigt einer werkstofflichen Verwertung zuzuführen. Höhere Temperaturen dienen dabei der Prozessbeschleunigung oder als Starthilfe. Voraussetzung ist der Einsatz von unproblematischen Lösungsmitteln, damit eine wirtschaftliche und umweltgerechte Gestaltung des Verfahrens möglich ist. Hinzu kommt die Notwendigkeit, den Energiebedarf möglichst
gering zu halten.

An der Hochschule Magdeburg-Stendal durchgeführte Versuche haben gezeigt, dass dieser Verfahrensansatz erfolgversprechend ist. Ohne eine gravierende Beschädigung in Länge und Durchmesser konnten die Fasern von der Harzmatrix separiert werden – und dies unter milden Bedingungen und unter Verwendung eines unproblematischen und kostengünstigen Lösemittels.

Ein weiteres und derzeit viel beschriebenes und diskutiertes Problem stellen anthropogene Verschmutzungen von Gewässern dar. Als erstes Beispiel dient das Projekt „Fishing for Litter“, das im Jahr 2005 auf Initiative der KIMO (Kommunenes Internasjonale Miljøorganisasjon/Local Authorities International Environmental Organisation), einem Zusammenschluss von Nord- und Ostseeanrainern zum Schutz der Meere und zum Kampf gegen die Meeresverschmutzung, ins Leben gerufen wurde. Ziel ist es, die Vermüllung der Meere Nordeuropas zu stoppen und Aufklärungsarbeit zu leisten.

2011 schloss sich auch der deutsche NABU e.V. dieser Initiative an. Ein Tätigkeitsfeld in diesem Kontext ist, zusammen mit lokalen Fischern und weiteren Partnern den als Beifang anfallenden Meeresabfall an Bord der Schiffe zu sammeln. Dieser kann dann in Containern im Hafen für die Fischer gebührenfrei entsorgt werden. Der Fokus der an der Hochschule Magdeburg-Stendal durch-geführten Untersuchungen lag vor allem
einer Betrachtung des Tau- und Netz-Materialgemisches.

Das Ziel der Untersuchungen war es, eine Aussage über die Recyclingfähigkeit zu treffen. Dafür wurden die Proben einer genauen materiellen Werkstoffprüfung unterzogen, bei der das Verhalten unter thermischern und physikalischer Beanspruchung ermittelt wurde. Um diese für die verarbeitende Industrie wichtigen Daten ermitteln zu können, ist die Gewinnung der Einzelmaterialien über eine Aufbereitung, Reinigung und Sortierung notwendig.

Nach der Sortierung der Einzelmaterialien erwies sich die anstehende Zerkleinerung durch die sehr beständige Faserstruktur des Materials als sehr problematisch. Zum einenn wickelten sich die Fäden um die Wellen und verursachen einen Stillstand der Maschine. Zum anderen glitten die einzelnen Fasern über die Schnittkante und verminderten die Zerkleinerungswirkung. Zusätzlich erfuhren die Messer der Mühlen eine schnelle Abnutzung. Um dem entgegenzuwirken, wurden die Proben aufgeschmolzen und eine kristalline Struktur geschaffen. So konnte eine zielführende Zerkleinerung erreicht werden. Während bei Dolly Ropes (siehe Kasten oben) und weiteren Kunststoffabfällen eine Korngröße von fünf bis zehn Millimetern Millimetern realisiert wurde, faserten die Tauwerke auf und verstopften die Siebe. Hinzu kam eine starke Verschmutzung des Materials durch schluffartige Sande und mineralische Anhaftungen.

Widerstandsfähige Kunststoffe

Ein weiteres Beispiel, Lösungsansätze für die Problematik der anthropogenen Makroverschmutzungen der Meere zu finden, ist ein Projekt des WWF Deutschland. Dabei geht es besonders um aufgegebenes, verlorenes oder anderweitig weggeworfenes Fanggerät. Konkret wurden dabei Stellnetze als eine besondere Art der Netze im Bereich der Fanggeräte betrachtet und untersucht.

Bei den an der Hochschule Magdeburg- Stendal untersuchten Proben handelte es sich um Stellnetze, die aus der Ostsee vor Ahlbeck geborgen wurden. Nach einer anfänglichen großtechnischen Zerkleinerung wurde das Material einer Schwimm- Sink-Trennung in zwei Stufen (Salzwasser, Wasser) zugeführt sowie eine anschließende Friktionswäsche durchgeführt. Dieses Material wurde dann an der Hochschule weiter untersucht.

Stellnetze bestehen aus unterschiedlichen Kunststoffen mit unterschiedlichen Eigenschaften und Zerkleinerungsverhalten. Um die unterschiedlichen Materialien zurückzugewinnen und einer werkstofflichen Verwertung zuführen zu können, ist es notwendig, diese materialspezifisch zu vereinzeln. Das Ausgangsmaterial ist jedoch durch seine Faser- und Schlingenform geprägt, was durch den Einsatz besonders widerstandsfähiger Kunststoffe verstärkt wird.

Selbst nach einer Zerkleinerung bilden Stellnetze ein dicht verknotetes und verschlungenes Gemisch, das sich jeder mechanischen Sortentrennung widersetzt. © Foto: Hochschule Magdeburg-Stendal
Selbst nach einer Zerkleinerung bilden Stellnetze ein dicht verknotetes und verschlungenes Gemisch, das sich jeder mechanischen Sortentrennung widersetzt.


Viele Anhaftungen

Nach der für die Sortierung notwendigen Zerkleinerung hat sich das untersuchte Stoffgemisch verknotet und verschlungen, wodurch eine Sortierung über die Dichte nicht möglich war. Dies stellt das Hauptproblem bei der Sortierbarkeit des hier beschriebenen Materials dar. Selbst bei einer Zerkleinerung auf sehr kleine Korngrößen konnte festgestellt werden, dass die Materialfasern sich immer noch miteinander verknotet bzw. verschlungen hatten. Hinzu kam, dass die Anhaftungen durch die Querverschmutzungen mit Sand, Muschelkalk und anderer Mineralik die Aufbereitung zusätzlich negativ beeinflusst haben.

Abschließend kann konstatiert werden:
Eine sortenreine Herstellung von Regranulaten aus diesen Materialien ist unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte nicht möglich.

www.hs-magdeburg.de

Ein Beitrag von Prof. Dr.-Ing. Gilian Gerke u. Dr.-Ing. Gunter Weißbach,
Fachbereich Wasser, Umwelt, Bau und Sicherheit,
Hochschule Magdeburg-Stendal

Fachartikel aus dem ENTSORGA-Magazin Nr. 5/2020

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