Kunstrasen-Abfälle
Recycling für die Rasen-Reste
Normalerweise hat ein Kunstrasenfeld eine Lebensdauer zwischen zwölf und 15 Jahren. Danach stellt sich die Frage, wohin mit dem alten Belag: Bisher wurde der Rasen deponiert oder thermisch verwertet. Das entspricht zwar auch heute noch den gesetzlichen Vorgaben, ist aber nicht besonders nachhaltig. Bei FormaTurf geht man jetzt einen anderen Weg, den der stofflichen Verwertung: Der Rasen wird ausgebaut, die einzelnen Bestandteile in einem Nasstrennverfahren separiert und wiederverwertet. Aus den Kunststoffen entstehen neue Produkte, die zum Beispiel beim Sportplatzbau wieder eingesetzt werden können. Das können Bausteine, Rasengittersteine oder Kantsteine sein. Der Sand, der bis zu 70 Prozent Gewichtsanteil bei einem Kunstrasensystem hat, wird gewaschen und kann zum Beispiel wieder als Infill oder zu anderen Zwecken hergenommen werden.
Die Sport Group, zu der mit der Polytan auch der größte Anbieter für Kunstrasen-Sportplätze gehört, schließt mit diesem Angebot den Wertstoffkreislauf. Von der Forschung und Entwicklung bis zum Ausbau und Recycling liegt damit alles in einer Hand. In Essen entsteht gerade ein hochmodernes Werk auf 20.000 Quadratmetern Fläche. Die Anlage bietet Platz für die Einlagerung von 100 Großspielfeldern. Bis zu 200 Plätze können hier jährlich recycelt werden.
Wichtig ist den Verantwortlichen die Transparenz. So werden alle ausgebauten Felder mit einem QR-Code versehen. Der Kunde kann bis zum fertigen Produkt nachverfolgen, was mit seinem alten Rasen passiert. Im Moment befindet sich das Werk noch in der Aufbauphase, aber ab der zweiten Jahreshälfte werden die ersten Plätze recycelt. Seit Ende 2021 werden bereits alte Rasen gesammelt und in Essen eingelagert. Ab dem dritten Quartal sollen auch Besichtigungen des Werkes möglich sein.
Eine Herausforderung für das neue Unternehmen ist der Zustand der alten Plätze. Was wird das ausgebaut und recycelt? Wie belastet sind die alten Felder, was hat sich im Laufe der Jahre alles abgelagert? Um diese Fragen zu beantworten, wird der alte Rasen einem umfangreichen Testverfahren unterzogen. Eine erste Probe sollte bereits im Vorfeld gezogen werden, um den richtigen Entsorgungsweg bestimmen zu können. Eine zweite nach der Ankunft des Rasens im Werk und eine dritte aus den neuen Produkten, die aus dem alten Kunstrasen entstanden sind.
Doch wie ökologisch ist die FormaTurf wirklich? Dr. Beate Kummer, Chemikerin, Toxikologin und Umweltexpertin, hat die CO2-Einsparung ausgerechnet: „Wenn die FormaTurf etwa 40.000 Tonnen Kunstrasen jährlich recycelt, bedeutet das ungefähr 33.333 Tonnen weniger Treibhausgase gegenüber einer bisherigen Entsorgung.“ Das entspricht in etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß der Bundesbürger einer deutschen Kleinstadt. „Ökologisch betrachtet ist FormaTurf auf dem richtigen Weg.“ Die Ressourcen, die zur Produktion gleichwertiger Produkte über andere Kanäle erforderlich wären, sind in diesen Berechnungen noch nicht eingeflossen.
Doch warum kann man aus altem Kunstrasen keinen neuen Kunstrasen machen? Tom Beck, Geschäftsführer der FormaTurf: „Das kann man auch machen, aber dafür benötigt man sehr viel Energie und muss einen hohen Aufwand betreiben. Zudem muss man bedenken, dass sehr wenig Material übrigbleibt, das am Ende als neues Rohmaterial verwendet werden kann. Wir haben uns deshalb bewusst für eine werkstoffliche Verwertung des Kunstrasens entschieden. Wirtschaftliche und ökologische Bilanzen zeigen, dass ein rohstoffliches (chemisches) Recycling zur Gewinnung von Kunstrasenrohmaterial keinen Sinn machen. Außerdem sparen wir durch die Herstellung neuer Bauprodukte einen hohen Anteil fossiler Ressourcen.“
Aber die Nachhaltigkeit hat ihren Preis. Peter Herbig, Vertriebschef der Polytan in Deutschland: „Man muss mit einem Aufschlag von ca. zehn Prozent des gesamten Projektvolumens rechnen, wenn man sich für einen neuen Kunstrasen entscheidet und den alten bei der FormaTurf wiederverwerten lässt.“ Das ist teurer als den alten Kunstrasen zu deponieren, aber eben deutlich umweltfreundlicher und entspricht den aktuellen rechtlichen Auflagen.