„Offensichtlicher Beurteilungsfehler“
EuG-Urteil erklärt Titandioxid-Einstufung der EU-Kommission für nichtig

05.12.2022 Das Gericht der Europäischen Union hat die Einstufung der EU-Kommission für Titandioxid-Pulver als wahrscheinlich krebserregend durch Einatmen für nichtig erklärt. Die Richter begründeten dies mit einem „offensichtlichen Beurteilungsfehler“, teilte der Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) mit.

Titandioxid ist das wichtigste Weißpigment in Farben und Lacken.
© Foto: IMAGO/Shotshop
Titandioxid ist das wichtigste Weißpigment in Farben und Lacken.

Eine Krebsgefahr sei nur gegeben, wenn bestimmte lungengängige Partikel in großer Menge in die Lunge geraten. Dies habe aber nichts mit dem Weißpigment an sich zu tun. Zudem sei bereits die Studie, auf der die Kommissionsentscheidung basierte, fehlerhaft.

Einstufung basierte auf einer Einschätzung der Chemikalienagentur ECHA

Seit 2019 mussten Produkte, die Titandioxid mit einem Konzentrationsgrenzwert von mehr als einem Prozent enthielten, mit dem Warnhinweis „krebserregend“ versehen werden, weil die Europäische Kommission ihn auf Grundlage der Einschätzung der Europäischen Chemikalienagentur ECHA als intrinsisch krebserregend eingestuft hatte. Titandioxid wird als Weißpigment in zahlreichen Produkten verwendet, unter anderem in Farben, Lacken oder Kunststoffen. Die deutsche Industrie – allen voran die Chemische Industrie – hatte die Einstufung von Titandioxid durch die Kommission scharf kritisiert.

Der BDE begrüßte das Urteil des EuG zur Titandioxid-Einstufung. „Die Entscheidung der Luxemburger Richter darf getrost als Paukenschlag bezeichnen. Es ist gut, dass der EuG mit seinem Spruch die notwendige Klärung in dieser wichtigen Frage herbeigeführt hat“, sagte BDE-Präsident Peter Kurth.

„Es ist sehr erfreulich, dass die Richter des EuG mit ihrer Entscheidung in Sachen Titandioxid eine folgenschwere Fehleinschätzung der Europäischen Kommission richtiggestellt haben. Auch der BDE hat immer klargemacht, dass er die Ansicht der Kommission in dieser Frage nicht teilt, weil bereits die wissenschaftliche Grundlage, auf der die Entscheidung fußte, problematisch war“, so Kurth weiter.

Schutz vor Staub ist Sache des Arbeitsschutzes

Die Kommission sei über das Ziel hinausgeschossen, da die Gefahr nicht von Titandioxid in Pulverform an sich ausgehe, sondern die Menge und Partikelgröße beim Einatmen entscheidend seien. „Der Schutz vor Staub und allgemeinen Partikeleffekten ist aber Aufgabe des Arbeitsschutzes und sollte auch dort behandelt werden. Deshalb hoffen wir, dass das Urteil, gegen das noch Rechtsmittel möglich sind, Bestand haben wird“, so Kurth.

Von der Entscheidung der Luxemburger Richter ist das Verbot von Titandioxid für Lebensmittel indes nicht berührt. In Lebensmitteln ist Titandioxid – Lebensmittelzusatzstoff E 171 – seit Mitte dieses Jahres verboten, weil die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit seit 2021 den Verdacht hat, dass Nanopartikel des Stoffs durch den Verzehr das menschliche Erbgut schädigen.

stats