Rückwärtsfahrten
Assistenz mit Prüfsiegel

15.06.2022 Das erste Rückfahrassistenzsystem für Abfallsammelfahrzeuge hat das Zertifikat „Geprüfte Sicherheit“ von der Prüfstelle der BG Verkehr erhalten.

Sicherheit beim Betrieb: Assistenzsystem für Rückwärtsfahrten.
© Foto: Imago
Sicherheit beim Betrieb: Assistenzsystem für Rückwärtsfahrten.

„Das RAS gewährleistet uneingeschränkte Sicht in den Gefahrenbereich hinter dem Fahrzeug und warnt, wenn sich ein Hindernis im Gefahrenbereich hinter dem Fahrzeug befindet. Darüber hinaus greift es auch aktiv in das Bremssystem ein, wenn Kollisionsgefahr besteht. Der Mensch am Steuer erfährt so eine deutliche Unterstützung bei der Durchführung dieser risikobehafteten Fahraufgabe“, erklärt Heinz-Peter Hennecke, Fachreferent für Abfallsammelfahrzeuge bei der BG Verkehr.

Das aktive Eingreifen des Systems in das Bremsgeschehen bedeutet einen erheblichen Fortschritt gegenüber herkömmlichen Rückfahrassistenten, die lediglich optisch oder akustisch vor Hindernissen im Heckbereich des Fahrzeugs warnen.

Das RAS hat eine Reihe von Tests der Prüf- und Zertifizierungsstelle des Fachbereichs Verkehr und Landschaft der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) durchlaufen. „Bei der Sicht- und Funktionsprüfung testen wir vor allem die Funktionalität des Systems, also die fachgerechte Installation der Komponenten“, sagt Hermann Haase, Leiter der Prüfstelle. „Danach prüfen wir, ob das RAS Hindernisse zuverlässig erkennt und die Warneinrichtung bzw. Bremsfunktion rechtzeitig aktiviert. Oder was passiert, wenn ein Bauteil in der Elektronik defekt ist.“, so Haase weiter.

Die Wirksamkeit des Systems testeten die Prüfingenieure mit verschiedenen Prüfkörpern im Labor und am Fahrzeug. Darauf folgten Tests in typischen Fahrsituationen. Dazu nutzten die Prüfer eine Puppe in der Größe eines Schulkindes auf einem Skateboard, die sie Kevin tauften. Kevin fuhr aus allen Richtungen quer über die Fahrbahn, um zu ermitteln, ob das System rechtzeitig reagiert.

Ermöglicht die Ausrüstung mit einem sicherheitsgeprüften RAS künftig den Verzicht auf den Einweiser bei Rückwärtsfahrten? „Nein, ein genereller Verzicht kann aus den Vorschriften nicht abgeleitet werden“, antwortet Eva Wilbig, Fachreferentin für Entsorgung bei der BG Verkehr. Neben der StVO ist dafür die Vorschrift „Müllbeseitigung“ der DGUV maßgeblich, die generell einen Einweiser fordert, wenn Abfallsammelfahrzeuge rückwärtsfahren.
Allerdings formuliert die DGUV Vorschrift 43 „Müllbeseitigung“ in Paragraf 7 Abs. 2 eine Ausnahme: Man kann auf einen Einweiser verzichten, wenn das sichere Zurücksetzen des Fahrzeugs auf andere Weise, zum Beispiel durch geeignete technische Hilfsmittel, gewährleistet wird. „Ein geprüftes RAS erhöht die Sicherheit der Beschäftigten und anderer Verkehrsteilnehmer, wenn eine Rückwärtsfahrt unvermeidbar ist. Das betrifft insbesondere Seiten- oder Frontlader. Aber vor dem Einsatz muss man sich immer die technischen Grenzen des Systems im Abgleich mit den Einsatzbedingungen und Arbeitsabläufen anschauen. Ob alles miteinander harmoniert und ein sicheres Arbeiten gewährleistet werden kann, prüft der Unternehmer mit der Gefährdungsbeurteilung. In manchen Fällen wird man trotz RAS nicht auf den Einweiser verzichten können“, stellt Fachreferentin Eva Wilbig klar.

Unberührt vom Einsatz eines RAS bleibt gemäß der DGUV Vorschrift „Müllbeseitigung“, dass Behälterstandplätze nur angefahren werden dürfen, wenn das ohne Rückwärtsfahrt möglich ist. Dies gilt auch für Fahrzeuge mit einem geprüften RAS. „In Sackgassen dürfen Sie also nur hineinfahren, wenn genug Platz zum Wenden vorhanden ist“, sagt Eva Wilbig. Ausnahmen gibt es allerdings für Straßen, die unter den sogenannten Bestandsschutz fallen. Hinzu kommen unvorhersehbare Situationen, etwa durch Falschparker oder Straßensperrungen, die eine Rückwärtsfahrt unvermeidlich machen. „Der Einsatz eines geprüften RAS ist dann ein deutliches Sicherheitsplus für die Beschäftigten“, so Wilbig.

Prüfstellenleiter Hermann Haase ergänzt: „Assistenzsysteme lassen sich im Gegensatz zum Menschen nicht ablenken und sie ermüden auch nicht. Zudem bremst das RAS des Typs 2 selbstständig und reagiert deutlich früher, weil es eine deutlich kürzere Reaktionszeit als der Mensch hat. Das kann entscheidend sein, wenn jemand plötzlich hinter einem Auto auftaucht und in den Gefahrenbereich läuft.“

 

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