CO2-Preis für die Müllverbrennung
Interessenvertreter äußern mehrheitlich Kritik am BEHG

13.10.2022 Die gestrige öffentlichen Anhörung zur Novelle des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) verlief erwartungsgemäß und ohne große Überraschungen. Die meisten geladenen Interessenvertreter und Sachverständigen äußerten sich entsprechend ihrer bereits seit Monaten bekannten Standpunkte, ist einem Bericht des Parlaments-Newsletters „Heute im Bundestag“(HIB) zu entnehmen. Die Mehrheit kritisierte das Vorhaben. Live im Internet übertragen wurde die Anhörung nicht. Sie soll aber bis Ende der Woche in die Mediathek des Bundestags eingestellt werden.

Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages. Hier tagen die Ausschüsse und finden die öffentlichen Anhörungen statt.
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Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages. Hier tagen die Ausschüsse und finden die öffentlichen Anhörungen statt.

Laut HIB bezweifelte die klare Mehrheit der Sachverständigen, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Verteuerung der Müllverbrennung ist, da dies höhere Müllgebühren nach sich zu ziehen drohe. „Es ist in der jetzigen Situation angesichts der Inflation und der steigenden Energiepreise dringend notwendig, zusätzliche Belastungen der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen zu verhindern“, zitiert HIB Christine Wilcken vom Deutschen Städtetag, die auch für den Verband Kommunaler Spitzenverbände sprach. Dies stehe auch im Widerspruch zu der geplanten Verschiebung der CO2-Preiserhöhung.

Holger Thärichen vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) kritisiert seit Monaten das Vorhaben der Bundesregierung. In der öffentlichen Anhörung verwies Thärichen darauf, dass die Müllgebühren bei Geringverdienern einen besonders großen Anteil am verfügbaren Einkommen haben und sie deshalb von einer Erhöhung überproportional belastet würden. Dazu komme, dass Mieter den höheren Gebühren kaum ausweichen können, weil diese über die Nebenkostenabrechnung nach Quadratmetern umgelegt werden. Eigenheimbesitzer dagegen könnten durch vermehrte Mülltrennung Restmüllgebühren sparen. Aus diesem Grund fänden sich auch bei Mehrfamilienhäusern 30 Prozent mehr Wertstoffe im Restmüll als bei Einfamilienhäusern.

Zweifel an der Lenkungswirkung

Unter anderem aus diesem Grund äußerten mehrere Sachverständige Zweifel, ob im Fall der Müllverbrennung die CO2-Bepreisung wesentlich zu deren Ziel, nämlich den CO2-Ausstoß zu reduzieren, beitragen könnte. BDE-Präsident Peter Kurth sagte vor den Abgeordneten laut HIB: „Preise haben keine Auswirkung auf die Menge, die verbrannt wird.“ Allenfalls würde noch mehr Müll ins Ausland verbracht und dort verbrannt.

Felix Matthes vom Öko-Institut zufolge ist die unmittelbare Wirkung einer CO2-Bepreisung in der Müllverbrennung eher gering – insbesiondere in Anbetracht der derzeitigen Brennstoffpreise. Ausschlaggebend sei aber die „Ankündigungswirkung“. Wenn also die Marktakteure glaubten, dass etwas von Jahr zu Jahr teurer wird, würden sie Strategien suchen, diese künftigen Kosten zu vermeiden. „Was Emissionen lenkt, sind Preiserwartungen für die Zukunft, nicht aktuelle Preise“, so Matthes laut HIB.

Alba verteidigt Gesetzentwurf

Jens Thieme vertrat den Entsorger Alba bei der öffentlichen Anhörung. Alba befürwortet die CO2-Bepreisung für die Müllverbrennung. Es war daher keine Überraschung, dass Thieme den vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung verteidigte.

„Wir glauben sehr stark an die Lenkungswirkung“, so Thieme laut HIB. „Wenn der Preis am Ende der Kette“, also bei der Entsorgung, „erhöht wird, wird er an die Erzeuger durchgereicht“, so sein Argument. Es werde also mehr Müll vermieden und mehr vorsortiert. Thieme bezweifelte den Angaben zufolge auch, dass es zu wesentlich mehr Müllexporten käme, denn die Verbrennungsanlagen im nahen Ausland seien bereits stark ausgelastet.

Kaum belastbare Daten

Daten über die CO2-Emissionen der verschiedenen Arten von Verbrennungsanlagen „stehen derzeit nicht belastbar zur Verfügung“, stellte Martin Pohl von der ENVERUM Ingenieurgesellschaft für Energie- und Umweltverfahrenstechnik mbH fest und zog damit laut HIB in Zweifel, ob eine gerechte CO2-Bepreisung in diesem Fall überhaupt umsetzbar sei. Ein Forschungsprojekt des Umweltbundesamtes, mit dem diese Daten ermittelt werden sollen, werde erst Ende 2024 abgeschlossen sein.

In diesem Zusammenhang verwies Torsten Mertins vom Deutschen Landkreistag darauf, dass die beabsichtigte CO2-Bepreisung der Müllverbrennung „systemfremd“ sei. Denn diese setze bei allen anderen Brennstoffen systematisch beim Inverkehrbringer an und nicht erst bei der Verbrennung. Eine Folge ihrer Einführung werde deshalb eine „massive Bürokratie für die Anlagenbetreiber“ sein.

Mehrheit für Verschieben um mindestens zwei Jahre

Eine deutliche Mehrheit der angehörten Sachverständigen und Interessenvertreter plädierte laut HIB dafür, die Einführung des Gesetzes um mindestens zwei Jahre zu verschieben und im Fall, dass es bis dahin eine europäische Lösung gibt, diese zu übernehmen. Kurth verwies darauf, dass sich das Europäische Parlament für eine Einbeziehung der Müllverbrennung in den europäischen Emissionshandel ab 2026 ausgesprochen habe. Der EU-Ministerrat habe demgegenüber für eine Einführung 2031 plädiert. Ganz aktuell liefen derzeit die Trilog-Verhandlungen von Parlament, Rat und Kommission, um hier eine Einigung zu finden. Einen „frühen nationalen Sonderweg“ nannte Kurth deshalb „nicht zielführend“. Der Bundestag solle „einer europäischen Regelung den Vorrang geben“.

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