BMU
Antworten auf aktuelle Fragen zur sauberen Luft
Fragen zu Grenzwerten für Stickstoffdioxid
Wie und wann wurden die Grenzwerte beschlossen?
Der gültige Jahresmittelgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) für die Außenluft von 40 µg/m3 wurde im Jahr 1999 auf Basis des Vorschlags der Europäischen Kommission aus dem Jahr 1997 von den EU-Mitgliedstaaten beschlossen. Im Jahr 2008 wurde dieser Luftqualitätsgrenzwert von der EU bestätigt. Gleichzeitig wurde ein 1-Stunden-Mittelwert von 200 µg/m3 verabschiedet, der höchstens 18-mal pro Jahr überschritten werden darf (EU 2008). Die Luftqualitätsgrenzwerte für NO2 gelten somit seit dem Jahr 1999, einzuhalten sind sie seit dem Jahr 2010. Sie sind in der Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft für Europa (EU-Luftqualitätsrichtlinie) festgelegt.
Wie kann man die Grenzwerte überprüfen und theoretisch ändern?
Derzeit werden die bestehenden Regeln von der Europäischen Kommission im Rahmen eines „Fitness-Checks“ der Luftqualitätsrichtlinie überprüft. Dieser Prozess dauert zwei Jahre und wird Ende 2019 mit einer Bewertung enden, ob sich die derzeit geltenden Regelungen bewährt haben. Falls die Überprüfung zum Ergebnis kommt, dass Änderungen angezeigt sind, etwa mit Blick auf den Gesundheitsschutz, würde ein Revisionsprozess beginnen, bei dem die Ergebnisse des Fitness-Checks berücksichtigt würden. Dieser Revisionsprozess würde voraussichtlich mehrere Jahre dauern.
Könnte die Bundesregierung die Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub einfach aussetzen?
Dazu besteht zum einen keinerlei Veranlassung (siehe unten), zum anderen wäre es rechtlich auch gar nicht möglich. Die Grenzwerte sind EU-weit vereinbart, als Teil der EU-Luftqualitätsrichtlinie und europarechtlich verbindlich. Deutschland befindet sich zurzeit wegen Überschreitung der NO2-Grenzwerte, im Wesentlichen des Jahresmittelgrenzwerts, in einem Klageverfahren.
Was ist die wissenschaftliche Grundlage für den Grenzwert für Stickstoffdioxid auf europäischer Ebene?
Die Europäische Kommission stützt ihre Vorschläge für Grenzwerte auf Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Die Empfehlungen der WHO wurden im Jahr 2000 als Luftgüteleitwerte in den WHO Air Quality Guidelines for Europe veröffentlicht (WHO 2000). Die Empfehlungen der WHO wurden im Jahr 2013 im Ergebnis einer umfangreichen Überprüfung bestätigt und gelten weiterhin. Eine neuerliche Überprüfung erfolgt bis Ende 2019.
Der Jahresmittelwert für NO2 von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) ist aus Sicht der Weltgesundheitsorganisation WHO am besten dafür geeignet, die Gesundheit aller Menschen zu schützen. Er soll alle Bevölkerungsgruppen, also gesunde Menschen genauso wie Menschen mit Asthma oder ältere Menschen und Kleinkinder, die besonders empfindliche Atemorgane haben, vor einer dauerhaften Belastung mit Stickstoffdioxid, wie sie in Städten vorkommen kann, schützen. Dieses Anliegen eines vorsorgenden Gesundheitsschutzes unterstützen viele anerkannte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen.
Rechtfertigt die aktuelle Stellungnahme von Lungenärzten eine Neubewertung der aktuellen Grenzwerte?
Die Stellungnahme der Lungenärzte ist keine wissenschaftliche Studie, die auf neuen wissenschaftlichen Analysen und Daten beruht, sondern zunächst eine Erklärung einzelner Ärzte, Therapeuten und Ingenieure. Einen nennenswerten fachlichen Streit über die Schädlichkeit von Stickstoffdioxid gibt es laut der Meinung zahlreicher Fachleute für Epidemiologie und Umweltmedizin allerdings nicht. Neue wissenschaftliche Untersuchungen in Bezug auf die Schädlichkeit von Stickstoffdioxid deuten eher darauf hin, dass die Grenzwerte abgesenkt als erhöht werden müssten. So hat zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie erst im November 2018 die Bundesregierung aufgefordert, sich für niedrigere Grenzwerte einzusetzen.
Auch in der aktuellen Debatte hat die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie keine Überarbeitung der Grenzwerte gefordert, sie hat die Stellungnahme lediglich als Anstoß für notwendige Forschungsaktivitäten sowie eine kritische Überprüfung der Auswirkungen von Stickstoffdioxid und Feinstaub gewürdigt. Am 27. Januar 2019 hat zudem das „Forum der Internationalen Lungengesellschaften“ Stellung bezogen und distanziert sich in einer eigenen Stellungnahme in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung deutlich von den Aussagen der Lungenärzte rund um Professor Köhler.
Haben andere Länder wie die USA nicht viel laxere Grenzwerte?
Die US-amerikanischen Behörden legen insgesamt einen deutlich stärkeren Wert auf die Regulierung von Feinstaub. Deswegen haben sie dafür sehr strenge Immissions-Grenzwerte – also Grenzwerte dafür, was die Menschen einatmen – deutlich strenger, als die europäischen Grenzwerte. Der US-Grenzwert für Feinstaub für PM2.5 liegt z.B. bei 12 µg/m3 im Jahresmittel (im Vergleich zur EU, wo er bei 25 µg/m3 liegt)
In Bezug auf Stickstoffdioxid gilt: In den USA gilt seit 2010 ein Ein-Stunden-Grenzwert, der im Vergleich zum EU-Stunden-Grenzwert etwas schärfer ist, er beträgt 100 ppb bzw. 191 µg/m3. In der EU gelten 200 µg/m3 als Stundenhöchstwert. Der Jahresmittelwert liegt in Teilen der USA tatsächlich höher als in der EU, er beträgt 53 ppb bzw. 100 µg/m3. In der EU gelten 40 µg/m3.
In Kalifornien und sechzehn weiteren US-Bundesstaaten beträgt der Grenzwert für das Jahresmittel nur 30 ppb bzw. 57µg/m3. Zusätzlich gibt es strenge Emissionsgrenzwerte für das Ausstoßen von Stickoxiden im Auto, weil Stickstoffoxide wichtige Vorläufersubstanzen von Feinstaub sind. Daher müssen auch Dieselfahrzeuge in den USA mit speziellen Zusatzfiltern ausgerüstet werden, damit sie diese strengeren Werte einhalten können.
Das bedeutet also, dass Stickoxidimissionen in den USA zudem indirekt durch die wesentlich strengeren Feinstaub-Grenzwerte niedrig gehalten werden.
Es gibt zudem Länder mit anspruchsvolleren Jahresmittelgrenzwerten für Stickstoffdioxid, in der Schweiz bei 30 µg/m3 und selbst innerhalb der EU: In Österreich liegt der Jahresmittelgrenzwert bei 35 µg/m3.
© Foto: BMU/Sascha Hilgers
Zur Schädlichkeit von Stickstoffdioxid
Gibt es einen Zusammenhang zwischen Stickstoffdioxid und Erkrankungen bzw. frühzeitigen Todesfällen?
Es ist unumstritten, dass Stickstoffdioxid das Erkrankungsrisiko bei empfindlichen Bevölkerungsgruppen erhöht. Es ist zudem erwiesen, dass Stickstoffdioxid problematische Reaktionen im Körper hervorruft. Stickstoffdioxid ist ein ätzendes Reizgas, es schädigt das Schleimhautgewebe im gesamten Atemtrakt. In der Folge können Atemnot, Husten, Bronchitis, steigende Anfälligkeit für Atemwegsinfekte sowie Lungenfunktionsminderung auftreten. Besonders Asthmatiker und Menschen mit vorgeschädigten Atemwegen sind betroffen. Stickstoffdioxid hat außerdem eine mittelbare Wirkung auf die menschliche Gesundheit. Diese besteht in seiner Eigenschaft als Vorläufersubstanz für Feinstaub. Eine chronisch erhöhte Feinstaubbelastung führt zu mehr Herz-/Kreislauf- und Atemwegserkrankungen in der Bevölkerung und verkürzt die Lebenserwartung weiter.
Sind die Grenzwerte heute noch auf dem aktuellen Stand?
Die wissenschaftliche Diskussion hat sich seit der Formulierung der Grenzwerte erheblich weiterentwickelt. Es gibt zahlreiche aktuelle Studien, die die Schädlichkeit von Stickstoffdioxid verdeutlichen und zwar noch fundierter und deutlicher als dies zum Zeitpunkt der Grenzwertfestlegung 1999 der Fall war. Darauf hat zuletzt bspw. Professor Dr. Nino Künzli, vom Schweizer Tropen- und Public Health Institut hingewiesen.
Warum gelten im Innenraum und am Arbeitsplatz höhere Werte?
Der EU-Grenzwert für die Konzentration in der Außenluft beträgt 40 Mikrogramm je Kubikmeter – der Arbeitsplatz-Grenzwert für Arbeitende an Industriearbeitsplätzen und im Handwerk, bei denen aufgrund der Verwendung oder Erzeugung bestimmter Arbeitsstoffe eine erhöhte Stickstoffdioxid-Belastung zu erwarten ist, ist mit 950 Mikrogramm je Kubikmeter wesentlich höher. Dafür gibt es auch Gründe: Denn ein Arbeitsplatz-Grenzwert ist ein Wert für die zeitlich begrenzte Belastung gesunder Arbeitender, während durch Stickstoffdioxid in der Außenluft auch empfindliche Personen betroffen sein können, also auch Kinder, chronisch Kranke, ältere Personen – und Personen, die dem Schadstoff rund um die Uhr ausgesetzt sind, zum Beispiel weil sie an einer vielbefahrenen Straße wohnen. Für Büroarbeitsplätze sowie Privaträume findet der Arbeitsplatz-Grenzwert keine Anwendung.
Fragen in Bezug auf die Stickstoffdioxid-Messstellen
Wird in Deutschland strenger gemessen als in anderen EU-Ländern?
Nein. Wie die Luftqualität gemessen und bewertet wird, ist in der EU einheitlich geregelt. Fahrbeschränkungen und Fahrverbote gibt es nicht nur in Deutschland, sondern in zahlreichen anderen europäischen Städten, in denen die Luftbelastung noch zu hoch ist, wie zum Beispiel in London, Athen, Rom, Mailand, Madrid und Paris.
Was machen andere Länder?
In der Londoner Innenstadt wird eine neue Maut für ältere Fahrzeuge erhoben, zusätzlich zu der Innenstadtmaut „Congestion Charge“. In der so genannten „Ultra Low Emission Zone“ (ULEZ) muss eine zusätzliche Maut entrichtet werden. Bis Oktober 2021 soll sie ausgeweitet werden auf fast das gesamte Stadtgebiet.
Der Großraum Paris wird ab Juli 2019 für Dieselfahrzeuge, die vor 2001 registriert wurden, gesperrt. Ab 2024 sollen in der französischen Hauptstadt Dieselfahrzeuge nicht mehr zugelassen sein. Eine Schadstoff-Vignette ist bereits Pflicht, Diesel-Autos mit Erstzulassung vor 2001 und Benziner mit Baujahr vor 1997 dürfen bereits in der Woche tagsüber nicht mehr fahren. Die Regelungen für Lastwagen und Busse sind noch strenger. Bis 2030 will die französische Hauptstadt Autos mit Verbrennungsmotoren komplett verbannen.
Auch in Athen gilt seit Jahrzehnten ein „rotierendes“ Fahrverbot: An geraden Tagen dürfen im Stadtzentrum nur Autos mit einer geraden Autonummer fahren, an ungeraden Tagen solche mit ungerader Nummer.
Stehen in Deutschland alle Messstellen regelkonform?
Nach Auffassung des Bundesumweltministeriums sind alle Messstellen der zuständigen Behörden der Länder regelkonform aufgestellt. Die Bundesländer überprüfen die Position der Messstellen mindestens alle fünf Jahre. Auch die EU-Kommission überwacht die ordnungsgemäße Durchführung der Messungen und leitet ggf. Vertragsverletzungsverfahren ein. Solche Verfahren gibt es aktuell gegen andere Mitgliedstaaten, nicht aber gegen Deutschland.
Warum findet nun trotzdem eine Überprüfung der Messstellen statt?
Ergänzend zur regelmäßigen Überprüfung der Länder leitet das Bundesumweltministerium eine zusätzliche, unabhängige Begutachtung relevanter Messstellen ein. Dies geschieht in enger Abstimmung mit den Bundesländern. Zwar sieht das BMU keinen Anlass, die kompetente Betreuung der Luftmessnetze durch die Länder in Zweifel zu ziehen. Vor dem Hintergrund möglicher Fahrverbote sollen im Interesse der Öffentlichkeit alle relevanten Messstellen aber erneut und von unabhängiger Stelle erneut kontrolliert werden. Nordrhein-Westfalen hat dies bereits getan. Die Überprüfung durch den TÜV Rheinland hat ergeben, dass die dortigen Messstellen den EU-rechtlich vorgegebenen Anforderungen entsprechen.