„Zero Pollution“
Saubere Luft und sauberes Wasser für Europa

31.10.2022 Die Kommission hat strengere Vorschriften für Luft, Oberflächen- und Grundwasserschadstoffe sowie für die Behandlung von kommunalem Abwasser vorgeschlagen. Saubere Luft und sauberes Wasser seien für die Gesundheit von Menschen und Ökosystemen unerlässlich, so die Kommission.

Die EU-Kommission will sauberes Wasser und saubere Luft für alle in der EU durchsetzen (Bild: Gunzesried im Allgäu bei Sonthofen).
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Die EU-Kommission will sauberes Wasser und saubere Luft für alle in der EU durchsetzen (Bild: Gunzesried im Allgäu bei Sonthofen).

Allein durch die Luftverschmutzung sterben jedes Jahr fast 300.000 Europäer vorzeitig, so die Kommission. Die vorgeschlagenen neuen Vorschriften sollen die Zahl der Todesfälle, die auf die Überschreitung der von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Grenzwerte für Feinstaub (PM2,5) zurückzuführen sind, innerhalb von zehn Jahren um mehr als 75 Prozent senken.

Die Kommission schlägt vor, sowohl die zulässigen Schadstoffwerte zu verschärfen und will darüber hinaus auch die Umsetzung verbessern. „Die heutigen Vorschläge sind ein entscheidender Fortschritt im Hinblick auf das Ziel des Europäischen Green Deal, bis 2050 eine Umwelt ohne schädliche Verschmutzung zu schaffen“, so die Kommission

„Unsere Gesundheit hängt von unserer Umwelt ab. Eine ungesunde Umwelt hat direkte und kostspielige Folgen für unsere Gesundheit. Jedes Jahr sterben Hunderttausende Europäer vorzeitig, und viele weitere leiden an Herz- und Lungenkrankheiten oder an durch Umweltverschmutzung verursachten Krebserkrankungen“, sagte der für den Green Deal zuständige Vizepräsident, Frans Timmermans. „Je länger wir damit warten, die Umweltverschmutzung zu verringern, desto höher werden die Kosten für die Gesellschaft. Wir wollen, dass unsere Umwelt bis 2050 frei von schädlichen Schadstoffen ist. Das bedeutet, dass wir heute mehr tun müssen. Unsere Vorschläge zur weiteren Verringerung der Wasser- und Luftverschmutzung sind ein wichtiger Teil dieses Puzzles.“

„Die Qualität der Luft, die wir atmen, und des Wassers, das wir nutzen, ist von grundlegender Bedeutung für unser Leben und die Zukunft unserer Gesellschaften“, sagte Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius. „Verschmutzte Luft und verschmutztes Wasser schaden unserer Gesundheit, unserer Wirtschaft und der Umwelt, wovon vor allem die Schwächsten betroffen sind.“ Die Kosten der Untätigkeit seien weitaus höher als die Kosten der Prävention.

Sauberere Luft bis 2030, „Zero Pollution“ bis 2050

Mit der vorgeschlagenen Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinien will die Kommission für das Jahr 2030 vorläufige EU-Luftqualitätsnormen festlegen, die sich stärker an den Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation orientieren. Bis 2050 strebt die Kommission im Einklang mit dem Ziel der Klimaneutralität eine „Nullverschmutzung („Zero Pollution“) an. „Zu diesem Zweck schlagen wir eine regelmäßige Überprüfung der Luftqualitätsnormen vor, um sie im Einklang mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie den gesellschaftlichen und technologischen Entwicklungen neu zu bewerten“, heißt es in einer Mitteilung der Kommission. Den Jahresgrenzwert für Feinstaub (PM2,5) will die Kommission um mehr als die Hälfte senken.

Menschen, die durch Luftverschmutzung gesundheitliche Schäden erleiden, sollen bei Verstößen gegen die EU-Luftqualitätsvorschriften Anspruch auf Entschädigung erhalten. Sie sollen darüber hinaus auch das Recht erhalten, sich bei kollektiven Schadensersatzklagen durch Nichtregierungsorganisationen vertreten zu lassen. Darüber hinaus sollen Informationen über die Luftqualität transparenter zur Verfügung stehen. Die neuen Rechtsvorschriften werden die lokalen Behörden unterstützen, indem sie die Bestimmungen zur Überwachung der Luftqualität, zur Erstellung von Modellen und zur Verbesserung der Luftqualitätspläne stärken.

Grundsätzlich soll es den nationalen und lokalen Behörden überlassen bleiben, welche konkreten Maßnahmen sie zur Einhaltung der Normen ergreifen. Gleichzeitig sollen aber bestehende und neue EU-Vorgaben in den Bereichen Umwelt, Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Forschung und Entwicklung sowie in anderen Bereichen einen wesentlichen Beitrag leisten.

Bruttogewinn von bis zu 121 Milliarden Euro im Jahr

Nach Darstellung der Kommission wird die Verbesserung der Luftqualität in ganz Europa bis 2030 zu jährlichen Bruttogewinnen von schätzungsweise 42 Milliarden Euro bis zu 121 Milliarden Euro im Jahr 2030 führen. Dem stünden Kosten von weniger als sechs Milliarden Euro gegenüber.

Luftverschmutzung sei die größte umweltbedingte Bedrohung für die Gesundheit und eine der Hauptursachen für chronische Krankheiten wie Schlaganfall, Krebs und Diabetes. Sie sei für alle Europäer unvermeidbar und betreffe in unverhältnismäßig hohem Maße empfindliche und gefährdete soziale Gruppen. Verschmutzte Luft schade auch der Umwelt und führt zu Versauerung, Eutrophierung und Schäden an Wäldern, Ökosystemen und Nutzpflanzen.

Bessere und kostengünstigere Behandlung von kommunalem Abwasser

Eine überarbeitete Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser soll darüber hinaus den Europäern zu saubereren Flüssen, Seen, Grundwasser und Meeren verhelfen und gleichzeitig die Abwasserbehandlung kostengünstiger gestalten. Um die Ressource Abwasser bestmöglich zu nutzen, schlägt die Kommission vor, bis 2040 die Energieneutralität des Sektors anzustreben und die Qualität des Klärschlamms zu verbessern, um zu einer stärker kreislauforientierten Wirtschaft beizutragen.

Die EU-Kommission will die Kläranlagenbetreiber dazu verpflichten, Nährstoffe aus dem Abwasser zurückzugewinnen. Darüber hinaus will sie neue Regeln für Mikroverunreinigungen und neue Überwachungsvorschriften für Mikroplastik erlassen. Die Verpflichtung zur Wasseraufbereitung soll auf kleinere Gemeinden mit 1.000 Einwohnern (statt bisher 2.000 Einwohnern) ausgedehnt werden.

Abwassermonitoring soll Standard werden

Zur Bewältigung von Starkregenereignissen, die aufgrund des Klimawandels häufiger auftreten, sollen in größeren Städten integrierte Wasserwirtschaftspläne aufgestellt werden. Schließlich schlägt die Kommission aufbauend auf den Erfahrungen mit Covid-19 vor, das Abwasser systematisch auf verschiedene Viren, darunter CoV-SARS-19, und auf Antibiotikaresistenzen zu überwachen.

Erweiterte Herstellerverantwortung für die Pharma- und Kosmetikindustrie

92 Prozent der giftigen Mikroverunreinigungen in den Abwässern der EU stammen nach Angaben der Kommission aus Arzneimitteln und Kosmetika. Daher will die Brüsseler Behörde ein neues System der erweiterten Herstellerverantwortung einführen und damit die Hersteller dazu verpflichten, für die Beseitigungskosten aufzukommen. Dies stehe im Einklang mit dem Verursacherprinzip und biete Anreize für Forschung und Innovation im Bereich giftfreier Produkte sowie für eine gerechtere Finanzierung der Abwasserbehandlung, so die Kommission.

Vorschriften zur Rückgewinnung von Phosphor

Der Abwassersektor berge darüber hinaus ein erhebliches ungenutztes Potenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energie, zum Beispiel aus Biogas. Die EU-Länder müssen die industrielle Verschmutzung an der Quelle verfolgen, um die Möglichkeiten der Wiederverwendung von Klärschlamm und behandeltem Abwasser zu verbessern und um Ressourcenverlust zu vermeiden. Vorschriften zur Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlämmen sollen deren Verwendung zur Herstellung von Düngemitteln fördern, was der Nahrungsmittelproduktion zugutekommt.

Die Kommission schätzt, dass die Kosten um etwa 3,8 Prozent steigen (auf 3,8 Milliarden Euro pro Jahr im Jahr 2040), bei einem Nutzen von über 6,6 Milliarden Euro pro Jahr und einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis in jedem Mitgliedstaat.

Schutz von Oberflächen- und Grundwasser vor neuen Schadstoffen

Die Kommission schlägt zudem vor, die Listen der Wasserschadstoffe zu aktualisieren, die in Oberflächengewässern und im Grundwasser strenger kontrolliert werden sollen. 25 Stoffe mit nachweislich problematischen Auswirkungen auf die Natur und die menschliche Gesundheit werden in die Listen aufgenommen. Dazu gehören PFAS, die unter anderem in Kochgeschirr, Kleidung und Möbeln, Feuerlöschschaum und Körperpflegeprodukten verwendet werden. Außerdem sollen eine Reihe von Pestiziden und Abbauprodukten von Pestiziden, wie z. B. Glyphosat und Bisphenol A, ein Weichmacher und ein Bestandteil von Kunststoffverpackungen, aufgenommen werden. Außerdem sollen einige Arzneimittel, die als Schmerzmittel und entzündungshemmende Medikamente verwendet werden, sowie Antibiotika strenger kontrolliert werden. Die Stoffe und ihre Standards seien in einem transparenten und wissenschaftlich fundierten Verfahren ausgewählt worden, hieß es aus Brüssel.

Auch das jüngste Fischsterben in der Oder hat Konsequenzen. Nach Vorfällen sollen obligatorische Warnungen für flussabwärts gelegene Einzugsgebiete ausgesprochen werden. Verbesserungen soll es auch bei der Überwachung und Berichterstattung sowie bei der leichteren Aktualisierung der Liste geben, um mit der Wissenschaft Schritt zu halten.

In den neuen Vorschriften werden zudem die kumulativen oder kombinierten Auswirkungen von Gemischen berücksichtigt, wodurch der derzeitige Schwerpunkt, der ausschließlich auf einzelnen Stoffen liegt, erweitert wird.

Darüber hinaus werden die Normen für 16 Schadstoffe, die bereits unter die Vorschriften fallen, darunter Schwermetalle und Industriechemikalien, aktualisiert (zumeist verschärft), Vier Schadstoffe, die keine EU-weite Bedrohung mehr darstellen, will die Kommission streichen.

Nächste Schritte

Die Vorschläge werden nun vom Europäischen Parlament und vom Rat im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens geprüft. Nach ihrer Verabschiedung werden sie schrittweise in Kraft treten, mit unterschiedlichen Zielvorgaben für 2030, 2040 und 2050 - damit Industrie und Behörden Zeit haben, sich anzupassen und gegebenenfalls zu investieren.

Sämtliche Dokumente finden Sie auf den Seiten der EU-Kommission.

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