Viele Städte setzen zunehmend auf ‚smartes’ Abfallmanagement und das IoT
Sauber vernetzt
Auch Heidelberg hatte in der Vergangenheit mit solchen Szenarien zu kämpfen. Hinzu kam, dass Entsorger die Routen der Sammelfahrzeuge nicht optimal planten – häufig steuerten Fahrer Container an, die noch ausreichend Kapazitäten hatten. Welche Altglasbehälter wirklich zu leeren waren, wussten die Fahrer nicht. Die Folge: unnötige Anfahrten zu halbvollen Tonnen, mehr Verkehr und Lärmbelästigung, hoher Spritverbrauch sowie Zeit- und Personalaufwand. Doch wie den Entsorgungsprozess optimieren? Die digitale Lösung des Problems fand Heidelberg im ,Internet der Dinge‘ (Internet of Things / IoT).
Der Funkstandard LoRaWAN
LoRaWAN steht für ,Low Range Wide Area Network’. Für Geräte im Internet der Dinge bietet die auf offenen Standards basierende IoT-Technologie einige Vorteile: Sie vernetzt batteriebetriebene Dinge wie Sensormodule oder Energiezähler überall dort, wo sie gebraucht werden, verbraucht nur wenig Strom und kann kleine Datenmengen sicher über lange Strecken hinweg funken – auch dort, wo eine herkömmliche Mobilfunkverbindung nicht möglich ist wie etwa in Kellern.Sensoren für den Füllstand
Die Lösung ist denkbar einfach: Die Digital-Agentur Heidelberg als Impulsgeber für ,Smart-City‘-Projekte in der Stadt am Neckar verbaute mit Partnern wie SAP in diversen Glascontainern robuste Ultraschallsensoren – etwa auf dem Kurpfalzhof. Der liegt rund zehn Kilometer außerhalb der Stadt, weshalb sich eine Anfahrt nur lohnt, wenn die Container wirklich voll sind. Die IoT-Sensoren erfassen zentimetergenau den Füllstand und funken diese Daten an ein Gateway und über die Langstreckenfunktechnologie LoRaWAN stündlich in eine SAP-Cloud.
Entsorgungsrouten lassen sich nach Auswertung der Sensordaten aus den Glascontainern effektiver planen.
Eine SAP-Software analysiert dort die Datenmengen und bereitet diese optisch auf, sodass Entsorgungsunternehmen auf einen Blick den Status ihrer Behälter sehen. Prozentwerte zeigen für jeden einzelnen Container die Füllhöhe an, GPS-Daten den genauen Standort auf einer Karte, und Prognosewerte geben an, wann Container besonders ausgelastet sind, etwa bei einem regelmäßig stattfindenden Sportevent am Wochenende. Müllwagen können ihre Routen mit den gewonnenen Informationen besser planen. Die Frequenz der Abholfahrten verringert sich, Spritkosten fallen und damit auch der CO2-Ausstoß. Die Sensoren fungieren zudem durch integrierte Temperaturmesser auch als Brandmelder: Überschreitet ein Container eine vordefinierte Temperatur, schlägt das System Alarm und benachrichtigt eine hinterlegte Kontaktperson.
Kommunen denken um
,Smartes‘ Waste Management wie in Heidelberg liegt aktuell weltweit im Trend. Das irische Marktforschungsunternehmen Research And Markets schätzt den Markt für intelligente Entsorgung bis zum Jahr 2023 auf mehr als drei Mrd. US-Dollar. Beim schlauen Abfallmanagement bleibt es aber nicht, um Städte mithilfe des Internets der Dinge nachhaltiger zu gestalten. Das Bewusstsein, Gemeinden ,smarter‘ und damit lebenswerter zu machen, ist längst in den Etagen der Stadtplaner angekommen. Was auch dringend nötig ist, denn schon heute leben 55 Prozent der mehr als sieben Mrd. Menschen weltweit in Ballungsräumen. Bis zum Jahr 2050 sollen es laut World Urbanization Prospect 2018 sogar zwei Drittel sein. Das Leben in der Stadt boomt, und genau deshalb müssen Kommunen umdenken und mehr auf innovative Technologien setzen, die Staus und Lärm reduzieren, die Luftqualität verbessern oder den Energieverbrauch effizienter machen, kurzum: Technologien, die unsere Umwelt schützen und zugleich die Lebensqualität der Menschen erhöhen.Karlsruhe etwa zeigt in Zusammenarbeit mit SAP mit dem Projekt ,Smart City Light‘, wie sich bei der Straßenbeleuchtung mit Funktechnologien Energie sparen lässt: Smarte Straßenlaternen leuchten erst dann, wenn jemand vorbeikommt. Zudem sind sie wahre Multitalente: Sie spenden nicht nur Licht, sondern dienen Elektro-Autos als Tankstelle, liefern WLAN für Passanten, sind Notrufsäule und Temperaturmesser und zeigen den Grad der Luftverschmutzung sowie Informationen zu Lärm und Verkehr an. Anhand dieser Daten können Städteplaner den Verkehr besser managen und etwa Ampeln an Knotenpunkten durch Kreisverkehre ersetzen, um Staus zu reduzieren und damit die Luftqualität zu verbessern.
Stromfresser identifizieren
Auf frische Luft setzt auch Paris: In der französischen Hauptstadt filtern sogenannte City Trees, meterhohe Mooswände mit integrierter Sitzgelegenheit, Feinstaub aus der Luft und geben über Sensoren Auskunft über ihren Wasserhaushalt. In Kopenhagen sorgen ,smarte‘ Ampelschaltungen für fließenden Verkehr. Amsterdam wartet mit schlauen WLAN-Vogelhäuschen auf, die die Luftqualität messen und grün aufleuchten, wenn die Werte im Lot sind. Fußgänger können sich ins WLAN einloggen und wertvolle Tipps erhalten, wie sie zu einer besseren Luftqualität beitragen können. Und Barcelona kontrolliert mit smarten Stromzählern den Energieverbrauch und kann dadurch Stromfresser direkt identifizieren und durch energieeffizientere Geräte austauschen – und damit bares Geld sparen.
Robuste Ultraschallsensoren in Glascontainern erfassen den Füllstand und funken die Daten an ein Gateway.
50 Mrd. solcher Geräte sollen nach Ansicht der Analysten von Juniper Research bis 2022 weltweit im ,Internet der Dinge‘ funken. Auch in Heidelberg wird ‚smart´ künftig zum Standard. Die Stadt gehört laut ‚Smart City Atlas’ des Branchenverbands Bitkom zu den 50 ,smartesten‘ Städten in Deutschland. Sie will gewaltig aufrüsten und Infrastrukturen digital vernetzen, um das Leben der Bürger noch nachhaltiger und lebenswerter zu gestalten.
Sensoren für Straßenglätte
Ein konkretes Projekt, das die Heidelberger noch in diesem Jahr mit SAP umsetzen, ist die Digitalisierung des Winterdienstes. Streusilos sind mit Sensoren ausgestattet, die wie die Altglascontainer über den Füllstand informieren. Der Winterdienst weiß mit einem Blick auf das Dashboard, welcher Behälter welchen Füllgrad hat. ,Smarten‘ Projekten setzt die Stadt keine Grenzen: Künftig könnten beispielsweise Sensoren auf Heidelbergs Straßen über den Glättegrad informieren. Damit müssen Streufahrzeuge nicht mehr das gesamte Stadtgebiet bedienen, sondern nur noch dort hinfahren, wo akute Glättegefahr besteht – mit begrüßenswerten Folgen für die Umwelt.Ein Beitrag von Bernd Simon, SAP Deutschland
www.sap.com
Fachartikel aus dem ENTSORGA-Magazin Nr. 6/2019
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