VKU-Verbandstagung 2023
Schaulaufen der Politprominenz

09.03.2023 Bei der diesjährigen Verbandstagung des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) hat sich die deutsche Politprominenz die Klinke in die Hand gegeben. Mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Bundesverkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) schaute nicht nur die halbe Bundesregierung beim VKU vorbei, sondern mit Friedrich Merz (CDU) auch der Oppositionsführer im Deutschen Bundestag.

v.l. VKU-Präsident Ulf Kämpfer, Bundeskanzler Olaf Scholz, VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing
© Foto: Pascal Hugo
v.l. VKU-Präsident Ulf Kämpfer, Bundeskanzler Olaf Scholz, VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing

Kein Politikvertreter versäumte es, den kommunalen Unternehmen für ihre Leistungen in der Energiekrise zu danken. „Die kommunalen Unternehmen haben Großartiges geleistet“, sagte Scholz in seiner Rede. Der Bundeskanzler zeigte sich zuversichtlich, dass Deutschland die Energiewende gelingen kann, weil die Erneuerbaren eine sichere bezahlbare und nachhaltige Energieversorgung gewährleisten.

Mehr Erneuerbare braucht das Land, immerhin will Deutschland bis 2045 klimaneutral sein. Dafür braucht Deutschland nicht nur mehr Erzeugungskapazitäten bei Wind und Solar, sondern auch Stromnetze, Wasserstoff und H2-ready-Gaskraftwerke. Wer das alles bezahlen soll, ist noch eine mehr oder weniger offene Frage. Finanzminister Lindner verwies in seinem Vortrag auf den Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung, der mit 180 Milliarden Euro bestückt sei. Hinzu kämen die Programme der EU. Lindner nannte das Förderprogramm Next Generation EU, das während der Coronapandemie aufgelegt wurde und in Zukunftsinvestitionen fließen soll. Das Programm umfasst für die nächsten Jahre über 800 Milliarden Euro.

Mehr Geld aus dem Bundeshaushalt will der Finanzminister nicht locker machen. Lindner verwies auf die finanzpolitische Verantwortung des Staates, auch für künftige Krisen noch einen handlungsfähigen Staat zu haben. Daher müsse Deutschland so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückkehren – und damit auf neue Schulden zu verzichten.

Klage über Bürokratie und langwierige Genehmigungsverfahren

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) © Foto: Pascal Hugo
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP)

Geld sei auch nicht immer das Problem, so Lindner. Der Bundesfinanzminister verwies unter anderem auf die Bürokratie im Land, die die Vertreter der kommunalen Unternehmen in nahezu allen Panels und Diskussionsrunden als einen Bremsklotz der Transformation bezeichneten und die sich unter anderem in langwierigen Genehmigungsverfahren äußert. Dabei muss der Ausbau der Erneuerbaren viel schneller vonstatten gehen als in den vergangenen Jahren: Soll das von der Bundesregierung verkündete Ziel, die Erneuerbaren bis 2030 auf 80 Prozent ausgebaut werden, muss Deutschland seine Ausbaugeschwindigkeit verdreifachen, hatte der VKU errechnet.

Doch wenn selbst low hanging fruits wie Solaranlagen auf ehemaligen Deponien auf bürokratische Hürden stoßen, wird Deutschland die hochgesteckten Ziele kaum erreichen können, so die Meinung zahlreicher Vertreter der Kommunalwirtschaft. Lindner griff diesen Punkt in seiner Rede auf. „Das Tempo LNG, dass dieser Staat konnte, als er musste, dieses Tempo muss der Benchmark werden für alle anderen öffentlichen wie privaten Vorhaben in unserem Land. Unser Land steht sich zu oft selbst im Wege.“

Habeck mahnt Kulturwandel an

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) © Foto: Pascal hugo
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)

Robert Habeck mahnte einen Kulturwandel in Deutschland an. „Eine Haltung, die immer nur auf den Anderen schaut – welche Förderprogramme, welche Subventionen werdet ihr noch auflegen, bevor ich irgendwas tue – diese Kultur, wo alle aufeinander warten, muss durchbrochen werden.“ Hinsichtlich der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren verwies Habeck auf die Notfallverordnung sowie die noch kommenden Pakete zum Wasserstoff, für Wind und Solar.

Aber im Prinzip seien die rechtlichen Möglichkeiten nun da und der Bundeswirtschaftsminister appellierte an die kommunalen Unternehmen, insbesondere die Verteilnetze auszubauen, um den durch E-Mobilität und Wärmepumpen wachsenden Strombedarf zu den Kunden bringen zu können.

Lindner: „Nicht zu wählerisch sein beim Wasserstoff“

Beim Thema Wasserstoff ging es Habeck insbesondere um den Ausbau der Netze. Möglich wäre der Netzausbau im Rahmen einer Regulierung den Marktakteuren zu überlassen oder eine Dachorganisation zu gründen. „Damit ist nicht gemeint, dass der Staat die Wasserstoffnetze selbst baut.“ Habeck gab sich in der Frage betont pragmatisch und unideologisch. „Das, was schnell zum Ziel führt, das wird gemacht.“

Auch Finanzminister Linder griff das Thema Wasserstoff in seiner Rede auf und kritisierte die Versteifung auf grünen Wasserstoff, der sehr knapp und sehr teuer sei. „Wenigstens für einen Übergang brauchen wir auch Wasserstoff, der mit Abfall, Erdgas und meinetwegen auch mit Nuklearenergie gewonnen worden ist. Wir sollten da nicht zu wählerisch sein am Beginn einer Ära der Wasserstoffwirtschaft“, so Lindner.

Doch bei all den komplizierten Fragen der Regulatorik braucht es am Ende Menschen vor Ort, die die Transformation umsetzen, indem sie Anlagen errichten, Maschinen bauen oder Rohre verlegen. Der Fachkräftemangel droht zum Flaschenhals der Transformation zu werden. Scholz will den Fachkräftemangel nicht nur durch mehr Ausbildung und Anreize für Ältere, sich in den Arbeitsmarkt einzugliedern, aber auch durch gezielte Zuwanderung abmildern. Die Vereinfachung von Prozessen und die Digitalisierung soll zusätzliche Manpower sparen, um die Arbeitsbelastung zu verringern.

Lemke verweist auf die nationale Wasserstrategie

Bundesumweltministerin Steffi Lemke © Foto: Pascal Hugo
Bundesumweltministerin Steffi Lemke

Bundesumweltministerin Steffi Lemke verwies in ihrer Rede unter anderem auf die nationale Wasserstrategie, die in der kommenden Woche im Bundeskabinett beschlossen werden soll. Wasser war in den vergangenen Jahrzehnten ein Gut, dass in Deutschland im Überfluss vorhanden war – und über dessen bloße Existenz man sich daher nie Gedanken machen musste. Doch mit dem Klimawandel ist diese sorglose Zeit vorbei: Zeiten der Dürre wechseln sich zunehmend mit Starkregen und Hochwasser ab. Um die beiden Extreme zukünftig besser auszugleichen, ist ein aktiveres Wassermanagement notwendig.

Die Wasserstrategie wird entsprechende Handlungsempfehlungen für die Länder und Kommunen bieten. Außerdem wird es um die Frage des Vorranges gehen. „Für mich ist völlig klar, dass die Trinkwasserversorgung Vorrang haben muss vor anderen Wassernutzungen“, sagte Lemke.

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