DVGW Wasser-Impuls
Mit Sicherheit Qualität – nichts ist so wertvoll wie Trinkwasser
„Trinkwasser ist das Lebensmittel Nummer eins“, mit diesen Worten eröffnete Prof. Dr. Gerald Linke das zweite Expertenforum des Wasser-Impuls. Die Forderung des DVGW-Vorstandsvorsitzenden daher: „Um die verlässliche Grundversorgung zu sichern, gilt es, die Trinkwasserressourcen nachhaltig zu schützen. Daher ist das Verursacherprinzip konsequent anzuwenden und die Verantwortung der Hersteller über den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte zu verankern.“ Entsprechend des Themenspektrums war die Expertenrunde mit Vertretern aus der Wasserwirtschaft, aus Umwelt- und Agrarverbänden, Behörden und aus der chemischen Industrie besetzt.
Resümee der Faktenlage
Um den Boden für eine fruchtbare Diskussion zu ebnen, begann die Veranstaltung mit kurzen Impulsvorträgen. Vorab resümierte Christoph Jeromin, Geschäftsführer der Bodensee-Wasserversorgung und Präsidiumsmitglied des DVGW die Faktenlage:
Fakt 1: Pflanzenschutzmittel sind weiterhin ein großes Problem für die Trinkwasserressourcen.
Fakt 2: Intensiv-Landwirtschaft und das derzeitige EU-Förderregime führen vielerorts zu hohen Nährstofffrachten in den Trinkwasserressourcen.
Fakt 3: Immer mehr anthropogene Spurenstoffe werden in den Trinkwasserressourcen nachgewiesen.
Einigkeit bestand darin, dass die Belastung der Trinkwasserressourcen durch Pflanzenschutzmittel schnellstens reduziert werden müsse. Die Informationen über die auf den landwirtschaftlichen Flächen in den Trinkwassereinzugsgebieten eingesetzten Wirkstoffe seien aus Sicht der Wasserversorgung immer noch unzureichend. Derzeit stelle man mit den laufenden Monitoringprogrammen erst im Nachhinein fest, was von den Landwirten eingesetzt wurde. Ebenso retrospektiv sei die behördliche Fundaufklärung, d.h. die Ursachenforschung beim Auftreten von Pflanzenschutzmittelfunden. Vielerorts seien daher die Wasserversorger gezwungen, zeitnah mit weiteren Wasseraufbereitungsmaßnahmen zu reagieren. Prof. Dr. Linke forderte daher: „Wir müssen bereits bei der Zulassung der Pflanzenschutzmittel ansetzen.“
Allerdings seien Pflanzenschutzmittel in der heutigen Landwirtschaft, ob konventionelle Landwirtschaft oder Ökolandbau, unentbehrlich. Der konstante Einsatz der rund 277 zugelassenen Wirkstoffe wiederum ist ein grundsätzliches Problem für die Wasserversorgung: Insbesondere erhöhte Funde sogenannter nicht-relevanter Metabolite, die mittlerweile an mehr als der Hälfte aller Messstellen nachweisbar sind, wird von den Gesundheitsbehörden als kritisch betrachtet. Dass Unternehmen der Agrochemie bereits an der Reduzierung von landwirtschaftlichen Einträgen aus der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln arbeiten, zeigte Syngenta am Beispiel der unternehmenseigenen „Nachhaltigkeitsstrategie“. Syngenta hat es sich zum Ziel gemacht, den Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln für wasserwirtschaftlich empfindliche Gebiete zu stoppen.
Die anschließende Diskussion zeigte dennoch Einigkeit: Durch mehr Transparenz, welche Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden und eine zügige Aufklärung der Befunde in Trinkwasserressourcen solle die Belastung langfristig reduziert werden. Allerdings sind hierfür einige Hürden zu nehmen. Insbesondere die Fragen, wie eine profunde Datengrundlage über aufgebrachte Pflanzenschutzmittel zum Beispiel über die Pflanzenschutzdienste erreicht werden kann und wie bundesweit vulnerable Gebiete identifiziert werden können, kristallisierten sich als entscheidend heraus und wurden als Themen für ein Vertiefungsgespräch herausgearbeitet.
Nährstofffrachten in den Trinkwasserressourcen
In der zweiten Diskussionsrunde ging es danach spannend und kontrovers zum Thema Nitratbelastung weiter. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass die Nitratwerte in über 25 Prozent der Vorfeldmessstellen deutlich über dem Umweltqualitätsstandard von 50 mg/l liegen. Mancherorts wurden sogar Nitratwerte über 350 mg/l gemessen – mehr als das Siebenfache des gesetzlich Erlaubten. Die Novellen der Düngeverordnung hätten bislang keine grundsätzliche Trendumkehr bewirkt.
Der DVGW forderte daher ein, statt über den bisherigen ordnungsrechtlichen Ansatz, die gemeinsame, europäische Agrarpolitik zu einer Agrarumweltpolitik weiterzuentwickeln: weg von der bisherigen Flächenprämie hin zu einer monetären Förderung von Umwelt-, Klima- und Tierschutzleistungen für die Landwirte. Dies würde für die Landwirte eine spürbare bürokratische Entlastung bedeuten und gleichzeitig eine deutliche Verbesserung der heutigen Situation im Umweltbereich bringen. Auch wurde über die Möglichkeit eines „Bonus-Malus-Systems“ diskutiert, um die Wasserversorger künftig von steigenden Wasseraufbereitungskosten zu entlasten.
Insgesamt kam das Plenum darin überein, die regionalspezifischen Besonderheiten der Einzugsgebiete von Trinkwassergewinnungsanlagen stärker im Nährstoffmanagement zu berücksichtigen und auch in den Ausgleichsmechanismen der europäischen Agrarpolitik zu verankern. Ebenso könnte eine spezifische Ausrichtung auf den Öko-Landbau in den Trinkwasserschutzgebieten (rd. 14 % der Fläche der Bundesrepublik) dazu beitragen, dass der Zielwert der Bundesregierung von 20 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche erreicht werden kann. Einen Beitrag zu einer zielgerichteten Landwirtschaft mit verringerten Einträgen in die Trinkwasserressourcen könne auch die Digitalisierung leisten, betonten Vertreter der Agrarindustrie. So sei es technisch bereits möglich, Insektizide und Fungizide mittels Sensorköpfen wesentlich bedarfsgerechter zu applizieren – und damit Über- und Unterdosierungen zu vermeiden. Es wurde vereinbart, in Folgegesprächen die skizzierten Ansätze zwischen Vertretern der Wasserversorgung und der Landwirtschaft vertiefend zu diskutieren.
Spurenstoffbefunde: Befundlage ist klar, Gesundheitsgefährdung aber vielfach noch unklar
In der EU sind derzeit rund 22.300 chemische Stoffe mit einer Produktionsmenge von mehr als einer Tonne pro Jahr registriert. Die Human- und Veterinärmedizin nutzt in Deutschland rund 3.000 verschiedene Wirkstoffe. Durch gesellschaftliche Entwicklungen wie dem demografischen Wandel steigt der Pro-Kopf-Verbrauch von Arzneimitteln deutlich. Viele anthropogene Spurenstoffe sind heute sowohl im Oberflächenwasser als auch im Grundwasser nachweisbar, deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit noch nicht hinlänglich bewertet sind. Die Kunden der Versorger erwarten ein Produkt Trinkwasser aus naturnaher Aufbereitung – die anthropogene Belastung wird aber langfristig zu einer industriellen Wasseraufbereitung führen. Entsprechend forderte der DVGW, chemische Stoffe bereits im Rahmen der Registrierungs- und Zulassungsverfahren auch hinsichtlich ihrer Mobilität in der Umwelt und insbesondere im Wasserkreislauf prüfen zu lassen.
Seitens der Industrie wurde auf die aktuell hohe Trinkwassergüte in Deutschland und den gleichbleibenden Wasserpreis verwiesen, das Vorhandensein von Problemstoffen in den Trinkwasserressourcen hingegen angezweifelt.
An konkreten Beispielen wurde aufgezeigt, dass Versorger heute ihre Daten zu der Befundsituation von Spurenstoffen transparent machen. Das Vorgehen in der Spurenstoffstrategie des Bundes und der weiteren Befassung mit den ausgewählten Spurenstoffen wird von allen Beteiligten als ein richtiger Schritt angesehen. Es gilt dabei, dass sich die Wasserversorgung und die chemische Industrie konstruktiv in diesen Dialog einbringen und diesen aktiv begleiten.
Die drei diskutierten Themenfelder zeigten unterschiedliche Reifegrade. Der Bedarf für den weiterführenden Austausch wurde deutlich, der in Folgeveranstaltungen intensiviert werden soll.
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