Ein Drittel rote Gebiete
Mecklenburg-Vorpommern verabschiedet neue Düngelandesverordnung

11.01.2023 Die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern hat gestern die neue Düngelandesverordnung verabschiedet. Damit darf in dem Flächenland künftig auf 429.218 Hektar nur noch eingeschränkt gedüngt werden. Das entspricht etwa einem Drittel der Landwirtschaftsfläche des Flächenlandes, teilte das Landesumweltministerium mit.

Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus will sich nicht an Begriffen wie Verursachergerechtigkeit "festbeißen".
© Foto: IMAGO / BildFunkMV
Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus will sich nicht an Begriffen wie Verursachergerechtigkeit "festbeißen".

Künftig müssen bei der Düngung folgende Bestimmungen eingehalten werden müssen: Die Düngemenge ist auf 20 Prozent unter dem Bedarf der Kultur zu senken. Ausnahmen gibt es für Betriebe, die weniger als 160 Kilogramm Gesamtstickstoff je Hektar und davon nicht mehr als 80 Kilogramm in Form von mineralischen Düngemitteln aufbringen.

Es dürfen darüber hinaus schlagbezogen nicht mehr als 170 Kilogramm Stickstoff (N) je Hektar aus organischen und organisch-mineralischen Düngemitteln aufgebracht werden. Wintergerste generell und Winterraps bei weniger als 45 Kilogramm Stickstoff pro Hektar im Boden dürfen im Herbst nicht mehr gedüngt werden.

Kulturen, die nach dem 1. Februar ausgesät oder gepflanzt werden, dürfen nur gedüngt werden, wenn auf der betroffenen Fläche im Herbst des Vorjahres eine Zwischenfrucht angebaut worden ist. Außerdem wurden die Sperrfristen für Acker- und Grünland verlängert und eine Sperrfrist für Festmist eingeführt. Vor dem Aufbringen von Wirtschaftsdünger müssen Landwirte zudem künftig die Stickstoff-Gehalte feststellen. Vor der Stickstoff-Aufbringung muss der im Boden verfügbare Stickstoff durch Untersuchung ermittelt werden.

EU-Kommission erhöhte den Druck auf die Mitgliedstaaten

Die Novellierung sei unumgänglich gewesen, da die Europäische Kommission die Anforderungen an den Gewässerschutz und damit den Druck auf die einzelnen Mitgliedsstaaten nochmals drastisch erhöht hatte, sagte Umwelt- und Landwirtschaftsminister Till Backhaus in der gestrigen Landespressekonferenz im Schweriner Schloss, wo er die Details der Düngelandesverordnung vorstellte.

„Auch wenn ich mir bewusst bin, dass uns die Landwirte in MV heute keinen Beifall zollen werden, so kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass wir die Forderungen und Hinweise des Berufsstandes im Prozess umfassend berücksichtigt haben“, sagte Backhaus.

„Nicht an Begriffen wie Verursachergerechtigkeit festbeißen“

Die Gesundung des Grundwassers werde nicht von heute auf morgen gelingen, denn Wasser habe ein langes Gedächtnis: „Umso wichtiger ist es, dass wir uns nicht an Begriffen wie Verursachergerechtigkeit festbeißen. Das ist aus meiner Sicht eine Scheindebatte, die zum einen darüber hinwegtäuscht, dass wir hier eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung tragen und die zum anderen suggeriert, als könnten die ‚wahren‘ Verursacher wirklich ausgemacht werden“, so Backhaus. „Das ist mit Blick auf die flächenhaft diffusen Einträge schlichtweg unmöglich und dieses Prinzip wird bei der Gebietsfestlegung von der EU auch ganz klar abgelehnt. Hier zählt allein das Vorsorgeprinzip und alle sind gefordert, mitzuziehen“.

Auch den Blick in andere Bundesländer lässt Backhaus so nicht gelten: „Die Flächenumfänge sind nicht miteinander vergleichbar, weil zwei wesentliche Einflussfaktoren eben nur bei uns in MV zu Buche schlagen: Der hohe Anteil von Kulturen mit hohem Düngebedarf in enger Fruchtfolge, also Winterraps – Winterweizen – Mais, und die geringe Grundwasserneubildungsrate treiben bei uns die Nitratgehalte im Grundwasser hoch. Dass wir im Gegensatz zu bestimmten Regionen in Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen nur eine geringe Viehdichte haben, hilft uns an dieser Stelle leider nicht.

Backhaus bringt Novelle des Bundesdüngerechts ins Spiel

„In den nächsten Monaten wird die EU mit Argusaugen auf die neuen Regelungen und Maßnahmen der Länder schauen. Wir gehen davon aus, dass unsere Regelung Bestand haben wird, da wir die Vorgaben der EU sauber umgesetzt haben. Perspektivisch kommen wir aber nicht umhin, das Bundesdüngerecht grundsätzlich anzufassen. Aus meiner Sicht müssen wir weg von Nitratwerten im Grundwasser als ausschließliche Entscheidungsgrundlage. Es braucht ein neues System oder zumindest erst einmal eine Diskussion darüber, wie es noch gehen kann; diese Diskussion wurde auf Bundesebene noch nicht einmal begonnen“, kritisierte Backhaus.

Derzeit umfasse das in MV für die Gebietsausweisung verwendete Messstellennetz 824 Grundwassermessstellen und Rohwasserbrunnen, erklärte Backhaus. Davon seien 174 mit Nitrat belastet. Betroffen seien insgesamt 46 von 59 ganz oder teilweise in MV gelegenen Grundwasserkörpern. In 23 zu betrachtenden Grundwasserkörpern sind auch Wasserschutzgebiete von mit Nitrat belasteten Messstellen betroffen. Von den rund 640 unbelasteten Messstellen könne unter Berücksichtigung des Nitratabbauvermögens auch nur bei 88 (14 Prozent) einigermaßen gesichert davon ausgegangen werden, dass diese tatsächlich unbelastet sind.

„Nitratbelastung ist ein real existierendes Problem“

„Die Nitratbelastung in unseren Gewässern ist demnach ein real existierendes Problem und keine Räuberpistole der Politik oder der Umweltverbände. Nitratbelastetes Wasser ist für Kinder und Erwachsene gleichermaßen gesundheitsschädlich und kann u.a. Auslöser für verschiedene Krebsarten sein. Der Nitratüberschuss kann ganze Ökosysteme nachhaltig beeinträchtigen. Hinzu kommt der Kostenfaktor: Um das Trinkwasser bei hohen Nitratwerten im Grundwasser sauber zu halten, müssen tiefere Brunnen gebohrt oder das Wasser aufwendig gefiltert werden. Die Kosten tragen die Abnehmer. Die Düngelandesverordnung ist eine wichtige Stellschraube, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Die Landwirte sind gefordert, die Maßnahmen konsequent umzusetzen“, sagte der Minister.

„Es ist mir aber wichtig zu betonen, dass die Landwirtschaft hier nicht auf der Anklagebank sitzt. Für mich ist sie Teil der Lösung. Nur mit gemeinsamer Anstrengung wird es gelingen, die kostbare Ressource Grundwasser auch für nachfolgende Generationen in gutem Zustand zu erhalten“, so der Minister.

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