Hochwasserschutz und Stadtplanung gemeinsam gedacht
Grachten, Seen und Mulden schützen vor den Folgen des Klimawandels

03.05.2022 Stadtentwicklung, Hochwasserschutz und klimaresilienter Umbau können und müssen Hand in Hand gehen. Das zeigten die Wasserwirtschaftsverbände anhand von Beispielen in Dortmund, Bochum und Herne.

Versickerungsmulden, Rigolen (unterirdische Speicher) und die Abkopplung von (Dach-)Flächen von der Mischwasserkanalisation: Bei der Rundfahrt von EGLV mit Ratsvertretern war die Freizeitfläche Am Hausacker in Bochum ein Beispiel für Klimafolgenanpassung.
© Foto: Kirsten Neumann/EGLV
Versickerungsmulden, Rigolen (unterirdische Speicher) und die Abkopplung von (Dach-)Flächen von der Mischwasserkanalisation: Bei der Rundfahrt von EGLV mit Ratsvertretern war die Freizeitfläche Am Hausacker in Bochum ein Beispiel für Klimafolgenanpassung.

Klimadaten zeigen es, Klimaforscher sagen es voraus: Wetterextreme mit Starkregenereignissen, Dürrephasen und Hitzesommern nehmen auch in unseren Breitengraden zu. Schon heute sind die Jahresdurchschnittstemperaturen in Nordrhein-Westfalen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen um 1,6 Grad gestiegen. Pro Jahr gibt es in Deutschland durchschnittlich zwölf Frosttage weniger als vor 100 Jahren und im Hochsommer heizen sich die Innenstädte um bis zu zehn Grad mehr auf als Bereiche am Stadtrand.

Zukunftsvisionen für eine klimaresiliente Stadt

Politik und Verwaltung stehen vor der Aufgabe, die Städte an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen, die Wasserwirtschaftsverbände müssen den Hochwasserschutz gewährleisten. Wie sieht eine Stadtplanung mit Blick darauf aus? Wie müssen Flächen, Straßen, Schulhöfe, Spielplätze, Wohnquartiere oder Gewerbegebiete gestaltet werden, um einen positiven Beitrag für das Mikroklima zu leisten, klimarobust und Hochwasser-geschützt zu sein?

„Stadtplanung und Wasserwirtschaft müssen konsequent zusammen gedacht werden. Dazu dient auch das städtebauliche Prinzip der Schwammstadt, mit dem der natürliche Wasserkreislauf gestärkt, Regenwasser als Ressource genutzt und der Schutz vor Starkregenfolgen verbessert werden. Dabei stehen wir den Kommunen mit unserer Expertise zur Seite“, sagte Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von EGLV, anlässlich einer Tour mit Ratsvertretern. „Obwohl wir alle gesetzlichen Vorgaben zur Hochwasservorsorge einhalten und mit dem Schutzniveau deutlich darüber hinausgehen, reicht dies vor dem Hintergrund des Klimawandels nicht mehr aus.“

Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Wasserwirtschaftsverbände, führte aus: „Wir müssen auch innerstädtisch mehr Retentionsflächen schaffen, die im Hochwasserfall kontrolliert geflutet werden können. Beim Phoenix See in Dortmund sieht man zum Beispiel, welchen stadtplanerischen Mehrwert wasserwirtschaftliche Projekte haben können. Die Integration von Rückhalteflächen ins Stadtbild kann eine echte Chance für die Stadtentwicklung sein.“

Es muss nicht immer ein Hochwasserrückhaltebecken in Form eines Sees sein: Auch kleinere Projekte leisten einen wichtigen Beitrag zum Hochwasserschutz, zur Aufwertung städtischer Flächen und zum klimafesten Umbau des Ruhrgebiets. Die Verbände werben dafür, Flächen zu entsiegeln, Platz für mehr Stadtgrün zu schaffen, Dächer und Fassaden zu begrünen und Regenwasser als Ressource zu nutzen, indem es vor Ort versickern kann (z. B. Anlegen von Versickerungsmulden) oder gespeichert wird (Bau von Rigolen). So kann es der Bewässerung dienen und über Verdunstung die Umgebung kühlen.

In der Zukunftsinitiative Klima.Werk setzt sich die Emschergenossenschaft zusammen mit den Städten schon länger für eine solche wasserbewusste Stadt- und Raumplanung ein. Weitere Ziele der Bustour waren denn auch Maßnahmen in Bochum und Herne, die der Wasserwirtschaftsverband als Partner in dem Netzwerk mit den Kommunen umgesetzt hat. Freizeitflächen oder Gewerbegebiete, bei deren Gestaltung Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung und wasserwirtschaftliche Projekte realisiert werden, sorgen gleichzeitig für mehr Hochwasserschutz, Klimaresilienz und Lebensqualität – und werten somit die Flächen auf.

Der Phoenix See in Dortmund


Der 24 ha große Phoenix See hat ein Fassungsvermögen von 600.000 m3. Im Hochwasserfall kann er zusätzliches Wasser aufnehmen und somit insgesamt 835.000 m3 fassen. Dadurch schützt er die flussabwärts liegende Wohn- und Gewerbebebauung am Ufer der Emscher vor Hochwasser. Im Sommer 2021 musste der Phoenix-See erstmals seine Funktion als Hochwasser-Rückhaltebecken wahrnehmen.

Die Freizeitfläche „Am Hausacker“ in Bochum

Aus einem aufgegebenen Tennen-Fußballplatz ist unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ein Begegnungsort für unterschiedliche Ziel- und Altersgruppen geworden. Nach dem Spatenstich im Oktober 2019 wurde die fast 15.000 m2 große Fläche in einer Bauzeit von nur 17 Monaten und einem Bauvolumen von rund 2 Mio. € neu gestaltet (mit Fördermitteln des Bundes und des Landes).

Beim Umbau der Fläche wurden auch Klimaanpassungsmaßahmen umgesetzt, gefördert von der Emschergenossenschaft im Rahmen der Zukunftsinitiative Klima.Werk. Alle befestigten Flächen sowie das Dach der Freilufthalle wurden von der Mischwasserkanalisation abgekoppelt. Die Stadt Bochum hat außerdem zwei flache Versickerungsmulden auf dem Gelände angelegt, unter denen sich großflächige Rigolen-Körper befinden, die das Regenwasser speichern und nach und nach ins Grundwasser abgeben sowie die neu gepflanzten Bäume bewässern. So können jährlich rund 6.500 m3 Regenwasser versickern oder verdunsten.

Gewerbegebiet Hibernia in Herne

Im Bereich des Gewerbegebietes Hibernia an der Holsterhauser Straße bzw. Lindenallee dient ein Grachtensystem der Regenwasserbewirtschaftung. Das Niederschlagswasser von Dach- oder Straßenflächen sowie anderen versiegelten Flächen wird nicht in die Mischwasserkanalisation eingeleitet, sondern in die Grachten. Von dort aus wird es dem Schmiedesbach zugeführt. Ein natürliches Gewässer, das früher auf dem Gelände seinen Quellbereich hatte und welches im Rahmen des Projekts komplett wieder an die Oberfläche zurückgeholt wurde.

Auch aus südlich angrenzenden Bereichen bis zur Flottmannhalle wird den Grachten auf dem Hiberniagelände in offenen Gräben Niederschlagswasser zugeführt, das vor der Umgestaltung in die Mischwasserkanalisation und dann zur Kläranlage geleitet wurde. Die offenen Wasserflächen tragen zur Verdunstungskühlung bei, werten das Areal stadtplanerisch auf und verbessern die Aufenthaltssituation. Das Projekt wurde durch die Stadtentwässerung Herne mit Fördermitteln des Landes NRW und der Emschergenossenschaft umgesetzt.


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