Gewässerschutz
Forscher finden gefährliche Rattengifte in Fischen

31.03.2020 In einer Studie, der weltweit ersten ihrer Art, haben Wissenschaftler der BfG hochgefährliche Rattengifte in der Leber von Fischen nachgewiesen, die gereinigtem Abwasser ausgesetzt waren.

Bild 1 Die Autoren der Rodentizide-Studie von der BfG: Dr. Marvin Brinke, Robert Schulz (hintere Reihe v.l.n.r.), Dr. Sabine Schäfer, Dr. Julia Regnery und der Leiter des Referats G3, Dr. Georg Reifferscheid (vordere Reihe v.l.n.r.)
© Foto: BfG
Bild 1 Die Autoren der Rodentizide-Studie von der BfG: Dr. Marvin Brinke, Robert Schulz (hintere Reihe v.l.n.r.), Dr. Sabine Schäfer, Dr. Julia Regnery und der Leiter des Referats G3, Dr. Georg Reifferscheid (vordere Reihe v.l.n.r.)
Im Rahmen der Studie hat die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) unter anderem Karpfen aus 25 Bioakkumulationsteichen untersucht /1/. An mehreren Standorten konnten die Forscher dabei Rattengift-Rückstände in den Lebern der Fische nachweisen, obwohl das Wasser in den Bioakkumulationsteichen zuvor in den jeweiligen Klärwerken gereinigt worden war. In anderen internationalen Studien wurden Rodentizid-Rückstände bereits vereinzelt in konventionell gereinigtem Abwasser, Klärschlamm, Sedimenten und Schwebstoffen nachgewiesen. Die Konzentrationen der Stoffe im gereinigten Abwasser sind dabei sehr gering und teilweise sogar nicht quantifizierbar. Wie die Ergebnisse der neuen Studie zeigen, können die Giftstoffe dennoch in Fischen nachgewiesen werden.

Rückstände der hochgiftigen Rodentizide auch in Fluss-Fischen

Neben den Karpfen aus Bioakkumulationsteichen wurden von dem Forschungsteam auch Fische und Muscheln aus Fließgewässern und Seen untersucht wie beispielsweise aus der Donau, Iller, Isar, Lech, Main und dem Starnberger See. Die Ergebnisse machen deutlich, dass es sich keinesfalls um Einzelfälle handelt. Schließlich fanden die Forscher in über 80 Prozent der untersuchten Fischleber-Proben aus deutschen Flüssen Rückstände der hochgiftigen Rodentizide. Prinzipiell sind Rattengifte mit Antikoagulanzien der 2. Generation verboten, da die meisten der darin enthaltenen Wirkstoffe persistent (P), bioakkumulierend (B) und toxisch (T) sind. Auch für den Menschen sind sie hochgiftig. Ausnahmen gibt es nur für die Rattenbekämpfung zum Gesundheits- und Materialschutz. Allerdings gelten dabei strenge Vorschriften. Entsprechende Rattenköder dürfen zum Beispiel ausschließlich von professionellen Rattenbekämpfern genutzt und der Kontakt mit Wasser muss unter allen Umständen vermieden werden.
Bild 2 Aus der Kanalisation angespültes Rattengift im Sandfang einer Kläranlage © Foto: ball-b GmbH
Bild 2 Aus der Kanalisation angespültes Rattengift im Sandfang einer Kläranlage

Andere Quellen außer Rattengift sind ausgeschlossen

Doch diese strikten Vorschriften, die Mensch und Umwelt schützen sollen, werden offenbar vielerorts nicht eingehalten. Nach dem Ausschlussprinzip gibt es keine andere realistische Möglichkeit, wie die PBT-Stoffe in die Gewässer und letztlich in die Fischleber gelangt sein könnten. „Andere Anwendungsbereiche der acht antikoagulanten Rodentizid-Wirkstoffe sind, mit Ausnahme von Warfarin, in Deutschland derzeit nicht gegeben“, betont Dr. Julia Regnery von der BfG (Bild 1). „Keiner der Wirkstoffe, mit Ausnahme von Warfarin, ist zur Anwendung als Arzneistoff zugelassen. Als Arzneistoff spielt Warfarin in Deutschland allerdings eher eine untergeordnete Rolle. Und keiner der Wirkstoffe ist zurzeit in Deutschland als Pflanzenschutzmittel zugelassen“, erklärt Dr. Julia Regnery.

Aufgrund ihrer Eigenschaften (persistent, bioakkumulierend und toxisch) dürften Antikoagulanzien der 2. Generation nach der Biozidverordnung in Deutschland also eigentlich überhaupt nicht zugelassen sein. Nur weil sich die Rattenpopulation und damit u. a. auch die Verbreitung von Krankheiten ansonsten nicht kontrollieren ließe, gibt es hier eine Ausnahme. Die strengen und rechtsverbindlichen Auflagen bzw. Risikominderungsmaßnahmen im Umgang mit Rodentiziden der 2. Generation werden allerdings von vielen professionellen Anwendern trotz Sachkundenachweis offenbar nicht konsequent eingehalten.
Bild 3 In Ufernähe installierte Rattenköderbox der Fa. ball-b © Foto: ball-b GmbH
Bild 3 In Ufernähe installierte Rattenköderbox der Fa. ball-b

Lebewesen an der Spitze der Nahrungskette besonders gefährdet

Die Tatsache, dass die Giftstoffe von Fischen aufgenommen werden, birgt auch Gefahren für andere Lebewesen. Laut der Studie, die vom Umweltbundesamt (UBA) in Auftrag gegeben wurde, können die Giftstoffe über die Nahrungskette weitergegeben werden. Gefährdet sind so vor allem Lebewesen an der Spitze der Nahrungskette. Da die Auswirkungen der nachgewiesenen PBT-Stoffe auf die menschliche Gesundheit nicht im Zuständigkeitsbereich der BfG bzw. des UBA liegen, geht die aktuelle Studie auf die möglichen Folgen für den Menschen nicht ein. „Inwiefern der Verzehr belasteter Fische für Menschen ein Gesundheitsrisiko darstellt, können wir derzeit nicht bewerten“, sagt Anton Friesen, Fachbegleiter für das Forschungsprojekt beim Umweltbundesamt. „Allerdings sollten PBT-Stoffe wie die antikoagulanten Rodentizide der 2. Generation aufgrund ihrer schädlichen Eigenschaften grundsätzlich nicht in die Umwelt gelangen“, betont Friesen. Schließlich lassen sich die giftigen Stoffe nicht mehr entfernen, sobald sie einmal in die Umwelt gelangt sind.

Herkömmliche Methoden bieten keine Sicherheit

Wie die Fischleber-Proben aus den Bioakkumulationsteichen zeigen, lassen sich die PBT-Stoffe aus den Rattenködern durch eine herkömmliche Abwasserreinigung nicht entfernen. Folglich ist eine adäquate und verlässliche Vorbeugung die einzige Möglichkeit, eine Belastung des Wassers und der Fische sowie grundsätzlich die Anreicherung über die Nahrungskette zu verhindern. Obwohl die unsachgemäße Anwendung von Rattenködern eine Ordnungswidrigkeit nach Gefahrstoffverordnung darstellt und Bußgelder von bis zu 50.000 Euro drohen, werden die Rattenköder in vielen Städten, Gemeinden und Betrieben dennoch offenbar weiterhin so eingesetzt, dass sie mit Wasser in Kontakt kommen können. Beispielsweise werden Giftköder in vielen Kanälen und Schächten weiterhin ungeschützt am Draht befestigt und in den Kanalschacht einhängt. Um scheinbar auf der sicheren Seite zu seien, werden die Köder dabei mitunter oberhalb der Hochwassermarke platziert. Doch das ist weder zielführend noch sicher. Zum einen können hoch eingehängte Köder nicht oder nur schwer von den Ratten erreicht werden, sodass sie die gewünschte Wirkung verfehlen. Zum anderen ist so keineswegs ausgeschlossen, dass die Köder und damit die PBT-Stoffe in den Wasserkreislauf gelangen. Denn die Hochwassermarken können durchaus überschritten werden. „Es ist in der Realität nicht machbar, dass alle am Draht ausgebrachten Formköder eines beköderten Kanalnetzes rechtzeitig vor dem Auftreten beispielsweise von Starkregenereignissen aus der Kanalisation entfernt werden“, sagt Dr. Julia Regnery. „Zudem ist anzunehmen, dass die Häufigkeit des Auftretens unvorhergesehener kurzzeitiger, lokaler Starkregenereignisse durch den Klimawandel weiter zunehmen wird.“

Bereits heute können zudem auch Köder, die oberirdisch platziert werden, durchaus mit dem Wasserkreislauf in Kontakt kommen. Das gilt vor allem dann, wenn diese sich in Gewässernähe befinden und es beispielsweise aufgrund von Starkregen zu Überflutungen kommt. Denn dann werden die Köder bzw. Giftstoffe ebenfalls ins Gewässer oder in die Kanalisation geschwemmt.

Kontakt zwischen Giftköder und Wasser verhindern - Alternativen nutzen

Da zumindest ein Teil der professionellen Rattenbekämpfer in Deutschland sich wissentlich nicht an die aktuellen Bestimmungen hält, liegt es auch an den Auftraggebern, unsachgemäße Praktiken zu unterbinden und Mensch und Umwelt zu schützen. Da in Deutschland die jeweiligen Städte und Gemeinden bzw. deren Abwasserbetriebe für die Rattenbekämpfung verantwortlich sind, müssen diese sich besser informieren und adäquate Maßnahmen ergreifen.

Eine biozidfreie Möglichkeit der Rattenbekämpfung in der Kanalisation ist die Verwendung von speziellen Schlagfallen. Darüber hinaus können Rodentizide auch in Köderschutzstationen in der Kanalisation eingesetzt werden, die Einträge ins Abwasser verhindern. Zum Beispiel bietet das Schweriner Unternehmen UniTechnics eine Köderbox an, die einer Boje ähnelt. Die Box verfügt über integrierte Luftkammern und treibt somit auf der Oberfläche, wenn der Wasserpegel im Kanal bis  zur Köderbox steigt. Der Giftköder im Innern bleibt somit trocken. Sinkt der Pegel wieder ab, wird die Box samt Köder wieder für die Ratten erreichbar.

Auf Köderschutzboxen setzt auch der Hersteller ball-b aus Nürnberg. Die Boxen werden entweder fest im Kanal installiert oder mit einem Klemmmechanismus befestigt, sodass sich der Einsatzort bei Bedarf leicht ändern lässt. Hier wird der Kontakt zwischen Köder und Wasser dadurch verhindert, dass sich die Box automatisch verschließt, sobald der Wasserpegel die Unterseite der Box erreicht. So ist der Köder auch bei dieser Lösung jederzeit geschützt und trocken. Zudem verfügt das System über Bewegungssensoren, verschiedene Funk-Technologien sowie eine eigene Software. Dadurch lassen sich u. a. Ratten-Hotspots ermitteln, was eine genaue Kontrolle der Rattenpopulation und somit ein gezieltes Vorgehen ermöglicht. Die Aktivitäten und Maßnahmen können zentral über Endgeräte wie Smartphones und Laptops verfolgt, gesteuert und protokolliert werden. Da die Giftköder laut Zulassung nicht mehr anlasslos, d. h. ohne eine zuvor erfolgte Befallserhebung, eingesetzt werden dürfen und es strenge Auflagen bei der Dokumentation im Umgang mit PBT-Stoffen gibt, wird der Aufwand wie Besuche vor Ort oder das manuelle Protokollieren reduziert. Zusätzlich zu den Köderschutzboxen für den Einsatz in Schächten und Kanälen bietet ball-b auch Boxen für den oberirdischen Einsatz an, die beispielsweise in der Nähe von Flüssen und Seen sowie in anderen überschwemmungsgefährdeten Gebieten eingesetzt werden können (Bild 3). Wie sich bei zahlreichen Städten, Gemeinden und Betrieben, die die Köderschutzboxen bereits nutzen, gezeigt hat, lässt sich der Einsatz von Rattengift mit dem ToxProtect-System um ca. 90 Prozent reduzieren. Wie es sein sollte, werden die Giftköder so auch tatsächlich nur von den Ratten verzehrt und nicht tonnenweise in die Umwelt geschwemmt.

Wer wider besseres Wissen nichts ändert, handelt grob fahrlässig

Wie die BfG-Studie nun nachgewiesen hat, werden die PBT-Stoffe von ungeschützt eingesetzten Rattengiftködern selbst in Klärwerken nicht entfernt und landen letztlich sogar in Fischlebern und damit auch im Nahrungskreislauf. Auch wenn die Studie hierzu keine Aussagen trifft, ist womöglich sogar die Gesundheit des Menschen gefährdet. Ein sofortiges Ende der herkömmlichen Rattenbekämpfung mit ungeschützten Rattenködern ist somit nicht nur deshalb ein Muss, weil es gegen die geltenden Vorschriften verstößt. Wer wie bislang weitermacht statt in umweltfreundliche Lösungen zu investieren, handelt nicht nur gegen jede Vernunft, sondern auch grob fahrlässig.  

Literatur und weiterführende Links

/1/ Regnery, J.; Parrhysius, P.; Schulz, R. S.; Möhlenkamp, C.; Buchmeier, G.; Reifferscheid, G.; Brinke, M. (2019): Wastewater-borne exposure of limnic fish to anticoagulant rodenticides. In: Water Research, 14.09.2019. Abrufbar unter: https://doi.org/10.1016/j.watres. 2019. 115090 (Stand 20.01.2020)

https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/antworten-auf-haeufig-gestellte-fragen-zu
https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/gute-fachliche-anwendung-von-0

Ein Beitrag von Tillmann Braun.
raja-louisa.mitchell[at]tu-berlin.de

Fachartikel aus wwt wasserwirtschaft wassertechnik Nr. 3/2020

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