Die Schwerlastindustrie wartet auf umweltgerechte Antriebe
Neue Signale
Schon auf der letzten IFAT und dann nochmals auf der IAA Nutzfahrzeuge stellte der deutsche Aufbautenhersteller Faun seine wasserstoffgetriebenen Entsorgungsfahrzeuge vor (vgl. ENTSORGA-Magazin 4/2018, S.11). Unter dem Stichwort ‚Bluepower‘ entwickelte Faun ein Antriebskonzept für Mullfahrzeuge und Kehrmaschinen mit einer von Wasserstoff gespeisten Brennstoffzelle, kombiniert mit einem Batterie-Antrieb zur Steigerung der Reichweite. Das ‚Bluepower‘-Konzept gilt als konsequente Weiterentwicklung der seit 2006 gesammelten Erfahrungen mit dem ‚Dualpower‘, einer besonderen Form der Ruckgewinnung (Rekuperation) von Bremsenergie aus dem häufigen Stop-and-go-Betrieb von Abfallsammelfahrzeugen (ASF). Dabei wird Energie elektrisch bzw. elektrostatisch in Superkondensatoren (Supercaps) gespeichert. Das ASF nutzt im Sammelbetrieb einen separaten elektrischen Antriebsstrang (‚Dualpower‘); den fahrzeugseitigen Antrieb setzt es nur während langer Transportfahrten ein.
Die Energie des Grundpaketes eines ‚Bluepower‘-Fahrzeugs reicht je nach Einsatzgebiet für zwei Touren zu 10 Tonnen gesammelten Abfall. Die Reichweite kann mit Brennstoffzellen, je nach Einsatzgebiet, auf bis zu 560 km erhöht werden. In weniger als zwei Jahren soll die Serienproduktion für die weltweit saubersten Mullfahrzeuge starten. Bei der Sammlung von Rest- oder Wertstoffen wird ein Mullfahrzeug sehr häufig gestoppt. Dies kann in dicht besiedelten Gebieten alle paar Meter sein. Mit konventionellen Fahrgestellen geht dabei viel Brems-energie verloren, und es entsteht Feinstaub beim Bremsvorgang.
‚Bluepower‘-Fahrzeuge werden elektrisch angetrieben und elektrisch gebremst. So kann ein Großteil der Bremsenergie in den Batterien gespeichert und zur Beschleunigung genutzt werden. Dadurch benötigt das Fahrzeug bis zu 40 Prozent weniger Energie, ist CO2- und NOx-frei und emittiert weniger Feinstaub in die Luft. Auch die Lärmemissionen eines herkömmlichen Mullfahrzeugs gehören damit der Vergangenheit an.
„Um die Treibhausgas-Emissionen zu senken und die Klimaziele zu erreichen, benötigen wir alle CO2-freie oder -arme Technologien“, erklärte der niedersächsische Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung, Dr. Bernd Althusmann, kürzlich bei einem Besuch bei Faun in Osterholz-Scharmbeck. „Wir mussen hier weiter und vor allem technologieoffener als bisher denken.“
Doch diese Technologieoffenheit bzw. das Fehlen derselben, ist genau der Punkt, der Deutschlands mächtigste Fahrzeuglobby, den VDA, vor eine Zerreissprobe stellte. So setzt VWs Chef Herbert Diess voll und ganz auf batteriebetriebene Elektromobilität. Er möchte Subventionen vor allem auf kleine vollelektrische Autos konzentrieren. Mit seiner Aussage: „Technologieoffenheit ist jetzt die falsche Parole“ erntete er nicht nur Widerspruch von BMW-Chef Harald Krüger und (Noch-)Daimler-Boss Dieter Zetsche, sondern auch Kopfschütteln in Fachkreisen. Neben batterieelektrischen Autos gibt es weitere denkbare Antriebsvarianten – etwa Hybride, synthetische Kraftstoffe oder eben auch die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle. Diess drohte nach Presseberichten gar mit einem Austritt von VW aus dem VDA, weil dessen Technologieoffenheit die Fahrzeugbranche überfordere. Dass diese aber alles andere als überfordert ist, zeigen Beispiele wie Faun, Daimler und auch andere.
Noch im Spätsommer dieses Jahres werden zwei Faun ‚Bluepower‘-Prototypen mit Wasserstoffantrieb fertiggestellt, die dann deutschlandweit von Entsorgungsunternehmen getestet werden sollen. Faun-Geschäftsfuhrer Patrick Hermanspann: „2021 werden wir die ‚Zero Emission-Fahrzeuge‘ in Serie produzieren, und in 2030 werden nach unserer Einschätzung keine konventionell betriebenen Mullfahrzeuge und Kehrma-schinen mehr gefertigt. Fur uns ist der Wasserstoff die einzig vernunftige Antriebsart der Zukunft, denn nur sie ermöglicht einen geschlossenen Energiekreislauf.“ Um das zu ermöglichen stehen auch die Förderung des Ausbaus von Wasserstofftankstellen oder sinnvolle Nachrustungen fur Kommunalfahrzeuge im Zusammenhang.
Brennstoffzelle von Iveco für SchwerfahrzeugeIveco ist ein Unternehmen von CNH Industrial N.V, einem weltweit tätigen und fuhrenden Unternehmen fur Investitionsguter. FPT Industrial ist die Triebstrang-Marke von CNH Industrial N.V. Als Teil seiner Strategie, ein breites Spektrum künftiger Antriebe abzudecken, hat die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von FPT Industrial zur letzten IAA Nutzfahrzeuge eine Wasserstoff-Brennstoffzelle für Schwerfahrzeuge vorgestellt. Bei FPT Industrial ist man der festen Überzeugung, dass die Brennstoffzellen-Technologie auf Basis der ‚Tank to Wheel‘-Betrachtung eine Lösung für eine emissionsfreie Schwerverkehrs-Logistik sein wird. Überdies werde sie wie Biomethan eine wichtige Rolle in einer notwendigen Kreislaufwirtschaft spielen und zusätzlich auf die Ressourcen der Wind- und Solarenergie zugreifen können. In Bezug auf Reichweite, Leistung, Effizienz und Zuverlässigkeit sei es ein Ziel des Zulieferers, Wasserstoff direkt für die Fernverkehrslogistik nutzbar zu machen. Bestandteil des Konzepts ist die Verwendung von hochfesten Carbonfaser-Tanks, aus denen der Wasserstoff über die Brennstoffzelle direkt eine Leistung von 400 kW bereitstellt. Diese Kombination von Brennstoffzelle und Elektrizität als Energiequelle für die Elektromobilität von morgen zeige, dass Wasserstoff die nächste Ausbaustufe hin zu einer dekarbo-nisierten, emissionsfreien Logistik sei, heißt es bei Iveco.![]() Hochfeste Carbonfaser-Tanks für Wasserstoff sind wichtige Bestandteile des Iveco-Brennstoffzellen-Konzeptes. |
Den Zug der Zeit haben offensichtlich aber auch andere erkannt. Neben interessanter Impulse von Faun und Iveco (vgl. Kasten) steigt nun auch Bosch in die Serienfertigung von Brennstoffzellen für Lkw und Pkw ein.
Wesentliches Element eines Brennstoffzellenantriebs ist der Stack, der als Herzstück einer Brennstoffzelle Wasserstoff in elektrische Energie wandelt. Zur Weiterentwicklung und Produktion von Stacks ist Bosch jetzt eine Kooperation mit dem schwedischen Hersteller von Brennstoffzellen-Stacks, Powercell Sweden AB, eingegangen. Die Vereinbarung sieht vor, dass beide Partner den Stack auf Basis der Polymerelektrolyt-Brennstoffzelle (PEM) gemeinsam zur Serienreife weiterentwickeln und Bosch in Lizenz die Technik für den weltweiten Auto-motive-Markt in Serie fertigt.
Der Stack ergänzt das Bosch-Portfolio an Brennstoffzellen-Komponenten und soll spätestens 2022 auf den Markt kommen. „Bosch hat im Bereich der Brennstoffzelle ein starkes Blatt auf der Hand – durch die Kooperation mit Powercell jetzt sogar noch einen Trumpf mehr. Technologie zu industrialisieren ist eine unserer Stärken. Das gehen wir jetzt konsequent an und erschließen den Markt“, sagt Dr. Stefan Hartung, Bosch-Geschäftsführer und Vorsitzender des Unternehmensbereichs Mobility Solutions.

Für Bosch liegt im Geschäft mit mobiler Brennstoffzellen-Technik langfristig Potential in Milliardenhöhe. Bis 2030 werden nach Bosch-Schätzung bis zu 20 Prozent aller Elektrofahrzeuge weltweit mit Brennstoffzellen angetrieben. „Mit seiner ganzen Power und Kompetenz eröffnet Bosch unserer Brennstoffzellen-Technik die Möglichkeit, im Automotive-Markt Fuß zu fassen. Bosch ist der beste Partner, den wir uns dafür vorstellen können“, sagt Powercell-CEO Per Wassén.
Die besten Chancen für einen breiten Einsatz der Brennstoffzellen-Technik sieht Bosch im Nutzfahrzeug-Markt. Die Flottenvorgaben der Europäischen Union für Lkw sehen bis 2025 eine Minderung der CO2-Emissionen um im Schnitt 15 Prozent, bis 2030 um 30 Prozent vor. Dieses Ziel lässt sich nach Ansicht von Bosch nur mit einer zunehmenden Elektrifizierung des Antriebs erreichen. Die Brennstoffzelle spielt hierfür eine entscheidende Rolle. Ausgehend von den Nutzfahrzeugen werden Brennstoffzellen-Antriebe von Bosch in der Zukunft dann auch im Pkw vermehrt zum Einsatz kommen. Dafür müssen jedoch sukzessive die Kosten für Brennstoffzellen-Systeme sinken.

Größter Posten ist der Stack. Dieser macht bis zu zwei Drittel der Gesamtkosten eines Brennstoffzellen-Systems aus. „Durch die Industrialisierung und über die Verbreitung der Technik am Markt wird Bosch Skaleneffekte erzielen und an der Kostenschraube drehen“, sagt Hartung.
Sinken müssen die Kosten auch noch bei Wasserstoff. Aktuell wird der Energieträger hauptsächlich für industrielle Anwendungen hergestellt mit einem Kilogrammpreis von oft mehr als fünf Euro. Mit steigender Produktion wird der Preis tendenziell noch fallen. Ein Kilogramm Wasserstoff enthält so viel Energie wie 3,3 Liter Diesel. Für 100 Kilometer benötigt ein 40-Tonner etwa neun bis zehn Kilogramm Wasserstoff, errechnete man bei Bosch.
Wasserstoff aus Ökostrom günstiger erzeugenWasserstoff aus Ökostrom kann den Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor erhöhen sowie den Feinstaub- und Stickstoffoxidausstoß reduzieren. Die Erzeugung des grunen Gases ist jedoch noch zu teuer. Das Zentrum fur Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Wurttemberg (ZSW) hat nun zusammen mit Partnern in einer Forschungsplattform erfolgreich einen Beitrag zur Kostensenkung erprobt: Mit einem Anfang 2019 in Testbetrieb gegangenen Forschungselektrolyseur an einer kommerziellen Power-to-Gasanlage im suddeutschen Grenzach-Wyhlen erreichten die Wissenschaftler aufgrund neuer Elektrodenbeschichtungen 20 Prozent mehr Leistungsdichte als der industrielle Anlagenteil. Der Elektrolyseur besteht außerdem aus weniger Einzelteilen und ist besser fur die Serienfertigung geeignet. |
Wasserstoff kann klimaneutral mit erneuerbarem Strom hergestellt werden. An der Optimierung dieses Prozesses arbeiten verschiedene Industrieunternehmen. Auch gibt es in Deutschland bereits ein kleines Wasserstoff-Tankstellennetz von über 60 Stationen – noch viel zu wenige, aber die Tendenz ist steigend. Getankt wird Wasserstoff innerhalb weniger Minuten als hochkomprimiertes Gas. In der Brennstoffzelle, von der mehrere zusammengeschaltet den Stack ergeben, reagiert der Wasserstoff mit Sauerstoff. Dabei entsteht – neben Wasser als Überbleibsel – elektrische Energie. Diese kann entweder zum Laden einer Batterie im Fahrzeug genutzt werden, oder sie treibt direkt den elektrischen Motor an. Durch das flexible Kombinieren von zwei oder mehreren Stacks kann ein Leistungsportfolio von Pkw bis schweren Lkw abgedeckt werden.
Powercell stellt mit seinen 60 Mitarbeitern Stacks mit bis zu 125 Kilowatt Leistung zunehmend automatisiert her. Das 2008 als Ausgliederung der Volvo Gruppe gegründete Unternehmen mit Sitz in Göteborg liefert bereits Brennstoffzellen für den prototypischen Einsatz in Lkw und Pkw.
Auch Bosch verfügt über viel Know-how in der Brennstoffzellen-Technik. Das Technologie-und Dienstleistungsunternehmen versteht sich als Systemanbieter und hat bereits ein umfangrei-ches Portfolio an Komponenten für Brennstoffzellen in Lkw und Pkw entwickelt. Dazu gehört unter anderem der Luftkompressor mit Leistungselektronik sowie das Steuergerät mit Sensoren.
Neben PEM-Brennstoff-zellen ist Bosch bei den soge-nannten Festoxid-Brennstoff-zellen (SOFC) aktiv. Mit dem britischen Spezialisten Ceres Po-wer entwickelt Bosch seit Mit-te des vergangenen Jahres die SOFC-Technik weiter, um zum Beispiel Fabriken oder Rechenzentren dezentral mit Strom zu versorgen. Die Technik soll kleine Kraftwerke ermöglichen, die überall in der Stadt sowie in Industrie- und Gewerbegebie-ten platziert werden können. Durch die hohe Flexibilität der standardisierten Anlagen kön-nen unter anderem Lastspitzen besser abgedeckt werden. In der Zukunft soll ein SOFC-Modul eine elektrische Leistung von 10 Kilowatt erzeugen. Für einen höheren Energiebedarf lassen sich beliebig viele Module mit gleicher Leistung einfach vernetzen.
Daimler wird CO2-freiDie Daimler AG treibt die Transformation zur emissionsfreien Mobilität mit Nachdruck voran. Nachhaltigkeit sei ein wesentliches Element der Unternehmensstrategie von Daimler und zugleich Maßstab für den unternehmerischen Erfolg. Der zukünftige Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Ola Källenius, derzeit noch als Vorstandsmitglied verantwortlich für Konzernforschung und Mercedes-Benz Cars Entwicklung, stellte unter der Überschrift „Ambition 2039“ unlängst die Ziele für den Pkw-Bereich vor. „Was tun wir, damit unsere Kunden in Zukunft auf klimaneutrale Mobilität umsteigen können?“ laute die Frage. Bis 2030 wolle Daimler mehr als die Hälfte der Autos mit Elektroantrieb verkaufen – hierzu zählen vollelektrische Fahrzeuge und Plug-in Hybride. Neben den Pkw würden auch Transporter, Lkw und Busse elektrifiziert. Aktuell liege der Fokus auf der batterieelektrischen Mobilität. Gleichzeitig bleibe es wichtig, an weiteren Lösun-gen zu arbeiten, wie etwa der Brennstoffzelle oder E-Fuels. Diese Technologie werde auch in den Daimler-Stadtbussen zum Einsatz kommen. „Heute kann niemand mit Sicherheit sagen, welcher Antriebsmix in 20 Jahren die Bedürfnisse unserer Kunden am besten erfüllen wird. Deshalb wollen wir die Politik darin bestärken, der Technologieneutralität den Weg zu bereiten: Lasst uns das Ziel festlegen, aber nicht die Mittel, um es zu erreichen“, betonte Källenius. |
Fachartikel aus dem Entsorga-Magazin Nr. 3/2019
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