Environmental Implementation Review
„Wasserverschmutzung durch Nitrate bleibt besorgniserregend“

12.09.2022 Die Grundwasserqualität zählt zu den zentralen Herausforderungen der deutschen Umweltpolitik.

Algenteppich in Folge von Eutrophierung
© Foto: IMAGO / blickwinkel
Algenteppich in Folge von Eutrophierung

Das ist dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Environmental Implementation Review der EU-Kommission für Deutschland zu entnehmen. Demnach ist die Grundwasserqualität in Deutschland nicht gestiegen „und die Wasserverschmutzung durch Nitrate bleibt besorgniserregend.“

Es bestünden anhaltende, akute Probleme bezüglich Eutrophierung in der Nord- und Ostsee, heißt es darin weiter. Deutschland müsse die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union aus dem Jahr 2018 zur Nitratrichtlinie vollständig umsetzen.

Nur rund acht Prozent der Oberflächengewässer in Deutschland sind in einem guten Zustand

Bei den Oberflächengewässern sieht es nicht viel besser aus. Nur 8,1 Prozent aller deutschen Oberflächengewässer sind demnach in einem guten ökologischen Zustand. Bei vielen Gewässern seien die Umweltziele bis zum Jahr 2021 nicht erreicht worden und könnten
sogar 2027 verfehlt werden, so die EU-Kommission.

Auch die Verlagerung der Besteuerung von Arbeit auf Umweltbelastung sowie der Abbau umweltschädlicher Subventionen bleibt in Deutschland aus Sicht der Kommission eine Herausforderung. Relativ zum Bruttoinlandsprodukt zähle Deutschland zu den Mitgliedstaaten mit dem niedrigsten Umweltsteueraufkommen in der EU, so die Kommission.

Gute Noten für das Abfallmanagement

Gute Noten hat Deutschland von der Kommission für das Abfallmanagement erhalten. Deutschland nehme in der Wiederverwertung nach wie vor eine Führungsrolle in Europa ein. So sei Deutschland der erste EU-Mitgliedstaat gewesen, der im Rahmen der neu eingeführten Abfallvermeidungsmaßnahmen den Produzenten und Händlern eine allgemeine „Sorgfaltspflicht“ auferlegt habe, um zu vermeiden, dass zurückgegebene Waren als Abfall enden.

Auch bei der Luftqualität bescheinigt die Kommission Deutschland Fortschritte. Im Jahr 2020 seien bei Feinstaub (PM10) keine Grenzwerte mehr überschritten worden, und die Anzahl der Luftqualitätsgebiete, die überschrittene Grenzwerte für NO2 meldeten, sei gegenüber 2017 von 35 auf 5 gesunken.

Die verschärften Klimaziele Deutschlands nimmt die Kommission positiv zur Kenntnis. Im vergangenen Sommer hatte noch die alte Bundesregierung beschlossen, dass Deutschland bis 2045 klimaneutral sein soll und die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken sollen. Deutschland fahre öffentliche Investitionen deutlich hoch, unterstützt durch Mittel aus dem Nationalen Aufbau- und Resilienzplan, so die Kommission

Sinkevičius kritisiert schleppende Umsetzung der Umweltpolitik

EU-Umweltkommssar Virginijus Sinkevičius kritisierte bei der Vorstellung der Environmental Implementation Reviews die zum Teil schleppende Umsetzung der Umweltpolitik in den Mitgliedstaaten. „Was die Kreislaufwirtschaft und die Abfallbewirtschaftung betrifft, so gibt es große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft und die Ressourcenproduktivität“, sagte Sinkevičius bei der Pressekonferenz. Auch die Vermeidung und ordnungsgemäße Bewirtschaftung von Abfällen bleibe eine große Herausforderung.

17 von 27 Mitgliedstaaten müssten Maßnahmen ergreifen, um das Recycling und den Einsatz von Recyclingmaterialien zu steigern. In 20 Mitgliedstaaten fehlten nationale oder regionale Abfallbewirtschaftungspläne und Abfallvermeidungsprogramme.

Deponierung nach wie vor ein Problem

Der große Anteil der zum Teil nicht rechtskonformen Deponierung ist nach wie vor ein Problem in der EU. Gegen 12 Mitgliedstaaten laufe derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren, so der Umweltkommissar. Im Jahr 2020 sind nach Angaben der Europäischen Statistikbehörde Eurostat rund 51,6 Millionen Tonnen Siedlungsabfall deponiert worden. Bei einem Siedlungsabfall-Aufkommen von 225.7 Millionen Tonnen entspricht das einem Anteil von rund 23 Prozent.

Die Luftverschmutzung beeinträchtige weiterhin die Gesundheit der Europäer, da die Grenzwerte für gefährliche Stoffe immer noch überschritten werden. Daher führe die Kommission derzeit Vertragsverletzungsverfahren gegen 18 Mitgliedstaaten durch. In allen 27 Mitgliedstaaten seien weitere Anstrengungen erforderlich, um den Abwärtstrend bei den Luftschadstoffemissionen umzukehren oder beizubehalten und die negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung auf Gesundheit und Wirtschaft zu verringern.

Die Fortschritte bei der Erreichung eines guten Zustands der Gewässer sind nach Angaben Sinkevičius‘ im Allgemeinen gering. „Die Umsetzung der Vorschriften für Trinkwasser gibt in einigen Ländern noch Anlass zur Sorge.“ In 19 Mitgliedstaaten würden Abwässer nicht ordnungsgemäß behandelt, bevor sie in die Umwelt eingeleitet werden, was ebenfalls Gegenstand von Durchsetzungsmaßnahmen der Kommission sei.

Kommission schätzt den verbleibenden Investitionsbedarf auf 110 Milliarden Euro pro Jahr

Und nicht zuletzt müssten die Anstrengungen zur Anpassung an den Klimawandel in jedem Land und auf EU-Ebene dringend verstärkt werden. „Die vor uns liegende Herausforderung ist groß, aber wir können die negativen Trends noch umkehren.“

Zwei Faktoren sind aus Sicht des Umweltkommissars entscheidend. Erstens: die Umweltfinanzierung. Die Kommission schätzt den verbleibenden Investitionsbedarf für eine grüne Transformation auf bis zu 110 Milliarden Euro pro Jahr. Zweitens: das Umweltmanagement. Die meisten Mitgliedstaaten sollten den Zugang der Öffentlichkeit zu nationalen Gerichten verbessern, damit sie Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anfechten können, so Sinkevičius.

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