IFAT-Special: Wasser + Abwasser
Das Potenzial mikrobiologischer Brennstoffzellen in der kommunalen Abwasserbehandlung

27.10.2020 Mit der mikrobiologische Brennstoffzelle (MBZ) könnte es möglich werden, die direkte Energiewandlung von der chemisch gebundenen Energie des Rohabwassers in elektrischen Strom zu vollziehen.

Klärwerk in Goslar – auf dieser Kläranlage wird die BioBrennszoffzelle aufgebaut werden
© Foto: U. Mertens, Atelier für Kunst und Fotografie
Klärwerk in Goslar – auf dieser Kläranlage wird die BioBrennszoffzelle aufgebaut werden
Organisch verschmutztes Abwasser ist ein Energieträger für chemisch gebundene Energie. Die Nutzbarkeit dieser Energie ist in der Praxis unterschiedlich. Bei organisch hochbelasteten Abwässern zum Beispiel wird die Umwandlung in nutzbaren Strom, Wärme und Kraftstoff Methan bereits vielfach mittels anaerober Abwasserbehandlung und nachgeschalteter Gasverwertung technisch umgesetzt.

Für die Behandlung organisch schwach belasteter Abwässer wie z. B. kommunales Abwasser kann dieser Weg aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht beschritten werden, weil u. a. die Abbaugeschwindigkeiten in diesem Temperaturbereich („psychophril“, d. h. kleiner 15 °C) zu klein sind und die erforderlichen Behälter- und Beckenvolumina bei gering belasteten Abwässern überproportional groß werden. Die Energiewandlung erfolgt dort deshalb über den Weg der Schlammfaulung und Faulgasverwertung. Es ist allgemein bekannt, dass hierbei ca. 27 % der chemisch gebundenen Energie des Rohabwassers in das Faulgas übertragen werden. Davon werden je nach Wandlungseffizienz der Gasverwertung zwischen 9 und 12 % (bezogen auf das Rohabwasser) in elektrische Energie und ca. 12 bis 15 % in Wärmeenergie umgewandelt werden.

Funktionsprinzip einer mikrobiologischen Brennstoffzelle, links: Einkammersystem, rechts: Zweikammersystem © Foto: CUTEC
Funktionsprinzip einer mikrobiologischen Brennstoffzelle, links: Einkammersystem, rechts: Zweikammersystem


Mit der mikrobiologischen Brennstoffzelle – MBZ, auch biologische Brennstoffzelle genannt, könnte in Zukunft eine alternative Option der direkten Energiewandlung von chemisch gebundener Energie des Rohabwassers in elektrischen Strom zur Verfügung stehen. Derzeit wird auf diesem Gebiet sehr viel geforscht. Das zeigen die seit 2017 jährlich mehr als 1.100 internationalen Publikationen auf diesem Gebiet (siehe www.webofknowledge.com mit Stichwort „microbial fuel cell“). Gleichwohl existiert bisher noch keine einzige technische Anlage. Dies soll nun geändert werden mit dem vom BMBF über den Projektträger KIT geförderten Projekt DEMO-BioBZ, einem Folgeprojekt des mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2018 im Bereich Forschung ausgezeichneten Projektes BioBZ (www.bio-bz.de).
Im Beitrag werden deshalb die allgemein noch bestehenden Herausforderungen auf dem Weg zur praktischen Umsetzung, die Ziele des Projektes DEMO-BioBZ sowie die neueren Erkenntnisse zu möglichen Auswirkungen von MBZ auf die Energiebilanz von Kläranlagen beschrieben.


Mikrobiologische Brennstoffzellen

Funktion

MBZ funktionieren auf Basis von elektroaktiven Mikroorganismen (z. B. Geobacter), die in solchen Systemen als Biofilm auf Oberflächen fixiert und angereichert werden. Elektroaktive Mikroorganismen sind in der Lage, beim Abbau von organischen Stoffen Elektronen abzugeben. Es kommt darauf an, diese Elektronen möglichst effizient „abzufangen“ und im Rahmen eines geschlossenen Stromkreislaufes zu nutzen bzw. zu speichern. Letzteres wurde im Projekt BioBZ im Pilotmaßstab erfolgreich umgesetzt.

Der Aufbau solcher MBZ-Systeme gleicht im Prinzip denen von rein chemischen Brennstoffzellen mit Anode und Kathode. Im Gegensatz zur klassischen Brennstoffzelle ist die Anode (negativ geladene Elektrode) von einem dichten Biofilm bewachsen und das Abwasser strömt im anaeroben Milieu, d.h. es ist kein Gelöst-Sauerstoff vorhanden, an der Elektrode vorbei. Im anaeroben Milieu werden organische Abwasserinhaltsstoffe (Summenparameter Chemischer Sauerstoffbedarf = CSB) von der Bakterien-Gemeinschaft im Biofilm verstoffwechselt und die elektroaktiven Mikroorganismen geben Elektronen an die Anode ab.

Um den elektrischen Stromkreis zu schließen, fließen die Elektronen über Stromleiter (Kupferkabel usw.) zu der Kathode. Dort findet eine gekoppelte Gegenreaktion statt und die an der Anode entstandenen Elektronen werden wieder „verbraucht“. Die Elektronen reagieren dabei zusammen mit den im Wasser verbliebenen Wasserstoffprotonen (H+-Ionen) in der Regel mit eingetragenem Luftsauerstoff zu Wasser, welches im Abwasser verbleibt.
Die Zuführung von Luftsauerstoff kann auf unterschiedliche Art erfolgen. Meist werden zwei verschiedene Systeme verwendet (vgl. Bild 1), einmal das Zweikammer-System mit einer in Wasser getauchten Kathode (rechtes Bild in Bild 1), die über eine Belüftung des Wassers Gelöst-Sauerstoff bereitstellt und einmal ein Einkammersystem, bei der die Kathode als Gasdiffusionselektrode ausgeführt ist (linkes Bild in Bild 1). Die eine Seite der Gasdiffusionselektrode wird vom Abwasser umspült, die andere Seite ist von Luft umgeben. Beide Systeme, das Einkammer- und das Zweikammersystem, haben Vor- und Nachteile, auf die hier nicht weiter eingegangen wird. Einer der wesentlichen Unterschiede ist, dass das Einkammersystem keine Energie benötigt für die Bereitstellung von Luftsauerstoff, während das Zweikammersystem Belüftungsenergie erfordert. Aus energetischen Gesichtspunkten ist das Einkammersystem deshalb vorzuziehen.

In BioBZ musste aus Zeitgründen auf das Zweikammersystem zurückgegriffen werden, weil die Entwicklung eines Einkammersystems die Verwendung geeigneter Gasdiffusionselektroden erforderte. Diese waren zum damaligen Zeitpunkt nicht verfügbar bzw. es hätten zunächst umfangreiche Materialentwicklungen erfolgen müssen. In der Zwischenzeit wurden an der TU Clausthal (Institut für Chemische und Elektrochemische Verfahrenstechnik) im Rahmen anderer Vorhaben ausreichende Vorkenntnisse und Erfahrungen gesammelt, so dass nun in DEMO-BioBZ der Einsatz von Gasdiffusionselektroden für ein Einkammersystem im Mittelpunkt steht. Die wesentlichen materialtechnischen Anforderungen an die Elektroden (sowohl Kathode als auch Anode) sind: kostengünstig, korrosionsstabil, elektrisch leitfähig, nicht umweltgefährdend, in nahezu beliebiger Form herstellbar.

Kenndaten

Es gibt viele Möglichkeiten MBZ-Systeme zu gestalten, angefangen von der Konfiguration (Ein- oder Zweikammersysteme), über die Geometrie (zylindrisch, kubisch etc.), Elektrodenformen (Bürsten, planar, strukturiert etc.) und die Betriebsweise bis hin zur Wahl eines möglichen Separators (Tabelle 1).

Einige Kenndaten von MBZ-Systemen
Einige Kenndaten von MBZ-Systemen


Aktuelle MBZ-Systeme sind derzeit noch deutlich kleiner als konventionelle Abwasseranlagen und müssen durch weitere Entwicklungsarbeiten erst noch auf deren Größe skaliert werden. Während in Bezug auf CSB-Elimination Ablaufwerte erreichbar sind unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte, ist die Berücksichtigung einer ergänzenden Nährstoffelimination (N, P) deutlich schwieriger. Ein wesentlicher Vorteil der MBZ ist jedoch die reduzierte Überschussschlammproduktion. Laut Literatur kann diese im Vergleich zum Belebtschlammverfahren auf etwa ein Fünftel reduziert werden. MBZ-Systeme können durch einen hohen Spezialisierungsgrad des Biofilms auch auf den Abbau gezielter Stoffe fokussiert werden, oder für eine Verbesserung der Stromausbeute und damit der Effizienzsteigerung von MBZ. Hier steht man allerdings noch am Anfang der Untersuchungen.

Beitrag zur Energiebilanz kommunaler Kläranlagen

Tabelle 2 zeigt beispielhaft Energieverbrauch und -produktion einer Modellkläranlage (jeweils mit und ohne MBZ) mit 20.000 EW bei einem CSB-Abbau von 40 %.

Energieverbrauch und -produktion einer 20.000 EW-Modellkläranlage (mit/ohne MBZ) bei 40 % CSB-Abbau
Energieverbrauch und -produktion einer 20.000 EW-Modellkläranlage (mit/ohne MBZ) bei 40 % CSB-Abbau


Aus Tabelle 2 geht hervor, dass sich die Energiebilanz mit dem Einsatz einer MBZ deutlich verbessert im Vergleich zu einer Kläranlage mit konventioneller Abwasserreinigung. Beim Einbau der MBZ nach der Vorklärung fällt weiterhin Primärschlamm an, der nach wie vor über die Faulung zu Strom und Wärme im BHKW umgesetzt werden kann. Bisherige Strukturen der Kläranlagen können und müssen also weiterhin genutzt werden. Bei einer Teilstrombehandlung des Abwassers mittels MBZ wird weniger Energie für die Belüftung im Belebungsbecken benötigt, gleichzeitig fällt auch weniger Überschussschlamm an. Damit verringert sich die Faulgasmenge sowie die Strom- und Wärmeproduktion durch das BHKW, doch die Abnahme der Stromproduktion des BHKWs wird durch die Zunahme der Stromproduktion der MBZ mehr als kompensiert.

Das Projekt DEMO-BioBZ

Gesamtziel des am 01.01.2020 begonnenen Projektes ist die Entwicklung und Demonstration einer energieeffizienten bio-elektrochemischen Abwasserbehandlung mit vollständiger Kohlenstoff- und Stickstoffelimination im technischen Maßstab für 250 Einwohnerwerte. Das Verfahrensfließbild der geplanten Anlage (zweistraßige Ausführung) zeigt Bild 3 zusammen mit den beteiligten Projektpartnern. Eine Nachbehandlung des in der Biobrennstoffzelle gereinigten Abwassers erfolgt in einer Scheibentauchkörperanlage (STK) mit getauchten Scheiben. Die STK soll die Rest-CSB-Elimination sowie eine vollständige Nitrifikation sicherstellen. Eine teilweise Rückführung des nitrathaltigen Abwassers im Ablauf der STK soll eine (Teil-)Denitrifikation erlauben. Gegebenenfalls kann eine Phosphatnachfällung integriert werden.

Verfahrensfließbild der DEMO-BioBZ-Anlage (links), Projektkonsortium (rechts). © Foto: CUTEC
Verfahrensfließbild der DEMO-BioBZ-Anlage (links), Projektkonsortium (rechts).


Projektphasen

Das 5-jährige Projekt ist in drei Phasen unterteilt: Eine 2-jährige (Weiter-)Entwicklungsphase, eine 1-jährige Planungs- und Bauphase und eine 2-jährige Betriebsphase mit Prozessoptimierung. Die 2-jährige Weiterentwicklungsphase ist u. a. erforderlich für die Entwicklung einer MBZ in Einkammer-Konfiguration mit Gasdiffusionselektrode (vgl. Bild 1 links), um das gesamte Potenzial für eine energieproduzierende Kläranlage zu erschließen (vgl. Tab.2, Zeile „mit MBZ“: mit Berücksichtigung von u.a. Wegfall der Belüftungsenergie, weitere Reduzierung von Überschussschlamm und Steigerung der Stromproduktion mit MBZ).

Das Projekt enthält mehrere Teilziele, die teilweise als echte Herausforderungen angesehen werden können: (1) Konstruktion, Installation und Untersuchung von modular austausch- und erweiterbaren Tauchmodulen (2) weitergehende Materialentwicklung und -optimierung zur Minimierung von Kosten und Ressourcen für Elektrodensysteme, (3) Entwicklung von selektionsfördernden online-Steuerungsmechanismen für elektroaktive Mikroorganismen, (4) Entwicklung von effizienten und flexiblen Stromspeichern, (5) Integration einer vollständigen bio-elektrochemischen Stickstoffelimination in die Biobrennstoffzelle (6) Ermittlung von Dimensionierungsdaten (7) Bewertung von Leistungs- und Wirtschaftlichkeitsdaten zur CSB- und Stickstoffelimination sowie (8) Untersuchung der (Teil-)Elimination von Spurenstoffen.

Ausblick

Mikrobiologische Brennstoffzellen (MBZ) können später eine interessante Ergänzung zu konventionellen Verfahren sein, vorausgesetzt die technische Demonstration z. B. im Rahmen von DEMO-BioBZ gelingt. Wesentliche Faktoren hierfür sind: Minimierung von Belüftungsenergie, direkte Stromgewinnung durch CSB-Abbau, Reduzierung der Überschussschlammproduktion. Während die ersten beiden Punkte die Energiewende in der Abwasserbehandlung ermöglichen und kommunale Kläranlagen vom Stromverbraucher zum Stromerzeuger wandeln, trägt der letzte Punkt besonders zum wirtschaftlichen Interesse bei, weil die Schlammbehandlung bereits heute ein erheblicher Kostenfaktor ist, der wegen der Novelle der Klärschlammverordnung weiter zunehmen dürfte.
Da die MBZ aus technischen Gründen feststoffarme Abwässer erfordert, muss die Faulung erhalten bleiben. Es ergeben sich allerdings neue Möglichkeiten in der Flexibilisierung des Energiemanagements. Beispielsweise kann im Sommer, wenn die Abwärme aus der Faulgasverstromung kaum nutzbar ist, die Stromausbeute in der MBZ zu Lasten der Faulgasausbeute erhöht werden.

Zukünftig ist in der kommunalen Abwasserbehandlung auch die Frage der Stickstoff- und Phosphorrückgewinnung insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmend geforderten Ressourcenorientierung der Abwasserbehandlung zu berücksichtigen. Hier bieten sich einige Optionen an wie z. B. eine Nach- oder integrierte Fällung von Phosphat. Deren Umsetzbarkeit wäre aber noch zu prüfen.

– Michael Sievers CUTEC Forschungszentrum der TU Clausthal
www.cutec.de

Fachartikel aus wwt wasserwirtschaft wassertechnik Nr. 7-8/2020

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