Wasserwirtschaft und Klimawandel
Die Herausforderungen sind riesig

22.03.2023 Die Wasserwirtschaft in Deutschland und Europa steht angesichts des Klimawandels vor riesigen Herausforderungen. Das wurde einmal mehr beim Wasser Dialog deutlich, den der Umweltdienstleister Veolia in der vergangenen Woche in Leipzig veranstaltet hatte.

Meteorologe und TV-Moderator Thomas Ranft beim Wasser Dialog von Veolia
© Foto: Pascal Hugo
Meteorologe und TV-Moderator Thomas Ranft beim Wasser Dialog von Veolia

Manchmal bedarf es drastischer Worte, um Menschen aufzurütteln. „Wir befinden uns mitten im sechsten Massensterben der Erdgeschichte“, sagte der TV-Moderator und Meteorologe Thomas Ranft in seinem Impulsvortrag.

Er verglich damit den Klimawandel mit dem Einschlag des Yucatan-Kometen vor 66 Millionen Jahren. Der Komet mit einem Durchmesser von 15 Kilometern krachte in der Nähe des heutigen Mexiko ein, verursachte mit einem Einschlagskrater von 180 Kilometern weltweite Vulkanausbrüche, deren Asche die Welt für 30 Jahre in Dunkelheit hüllen sollte. 75 Prozent des Lebens auf der Erde wurden Raft zufolge damals ausgelöscht – das fünfte Massensterben der Erdgeschichte. Der Klimawandel sei „in der Dramatik absolut mit den Ereignissen vor 66 Millionen Jahren vergleichbar“, so Raft.

Der Vergleich mag etwas hinken, denn anders als den Kometeneinschlag vor 66 Millionen Jahren können die heutigen Erdenbewohner den Klimawandel weder sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen. Aber die Veränderungen sind messbar, und der in dieser Woche veröffentlichte IPCC-Bericht des Weltklimarats zeichnet ein dramatisches Bild.

Bei der Anpassung an den Klimawandel noch in der „strategischen Diskussion“

Die Auswirkungen hierzulande sind längst bekannt und für jedermann wahrnehmbar: Starkregenereignisse und Hochwasser gefolgt von längeren Dürreperioden machen ein aktiveres Wassermanagement notwendig, das in den kommenden Jahren zu neuen Strukturen in der Wasserbewirtschaftung und Flächenkonflikten führen wird. Allzu weit ist man hierzulande noch nicht, was die Anpassung an den Klimawandel angeht: Immerhin hat die Bundesregierung nun ihre nationale Wasserstrategie veröffentlicht.

Der sächsische Umweltminister Wolfram Günther (Grüne). © Foto: Pascal Hugo
Der sächsische Umweltminister Wolfram Günther (Grüne).

Auch in den Ländern ist man noch in der „strategischen Diskussion“, wie es der sächsische Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) in Leipzig für sein Bundesland formulierte. Strategische Diskussion, das heißt man redet noch mit den verschiedenen Stakeholdern, wägt Zielkonflikte ab und entwickelt daraufhin Instrumente, die dann – irgendwann – in einer entsprechenden, dem Klimawandel angepassten Infrastruktur münden.

Brüssel macht Druck – und verschont auch die Kläranlagenbetreiber nicht

Doch den Klimawandel gilt es nicht nur zu bewältigen, sondern auch zu bremsen. Brüssel hat sich hier in den vergangenen Jahren als die treibende Kraft profiliert, lässt mit dem Green Deal keinen Stein auf dem anderen und verschont mit dem im vergangenen Oktober veröffentlichten Entwurf für eine neue Kommunalabwasserrichtlinie auch die Wasser- beziehungsweise Abwasserwirtschaft nicht.

Der Vorschlag der Kommission hat es in sich: Unter anderem sollen Kläranlagen ab 10.000 Einwohnerwerten (EW) bis Ende 2030 die Hälfte ihrer benötigten Energie selbst und erneuerbar erzeugen. Der Anteil soll bis 2035 auf 75 Prozent, bis 2040 auf 100 Prozent steigen.

Lachgasemissionen als Herausforderung für Kläranlagenbetreiber

Auch die Treibhausgasemissionen im Bereich der Abwasserreinigung – Scope 1 in einer Treibhausgasbilanzierung – sollen die Kläranlagenbetreiber um bis zu 60 Prozent gegenüber 1990 senken. Kläranlagen emittieren insbesondere Lachgas. Das Treibhausgas schädigt nicht nur die Ozonschicht, sondern ist 298-mal so klimaschädlich wie CO2. Die EU-Kommission will die Kläranlagenbetreiber in der Kommunalabwasserrichtlinie dazu verpflichten, künftig ihre Treibhausgasemissionen zu messen. In der Branche vermutet der eine oder andere, dass Kläranlagen irgendwann auch in den Kreis der emissionshandelspflichtigen Anlagen aufgenommen werden könnten.

Matthias Staub von Veolia Wasser. © Foto: Pascal Hugo
Matthias Staub von Veolia Wasser.

Seit einigen Monaten misst Veolia auf der Kläranlage im sachsen-anhaltischen Schönebeck die Lachgas-Emissionen, um aussagekräftig zu sein, wie hoch diese tatsächlich liegen und wie man mit diesen Werten umgeht. Matthias Staub, Leiter Kommunalentwicklung bei Veolia, sprach beim Wasser Dialog in Leipzig darüber, ob eine Kläranlage künftig klimaneutral oder sogar klimapositiv betrieben werden könnte. Die positive Nachricht ist, dass die Lachgasemissionen im Belebungsbecken deutlich reduziert werden können, durch Lachgas-Audits, eine Anpassung der Fahrweise und eine optimierte Faulung.

Staub verwies in seinem Vortrag auf die von Veolia betriebene Kläranlage im dänischen Mariager Fjord (75.000 EW), die ihre Treibhausgasemissionen um 60 Prozent gesenkt hat. In der 175.000-EW-Anlage im französischen Angers hätten die Veolia-Kollegen die Treibhausgas-Emissionen dank eines umfassenden Klimapaketes um 90 Prozent senken können. Das sind sehr gute Ergebnisse, doch klimaneutral ist das noch nicht. Der Weg zur Klimaneutralität sei anspruchsvoll, so Staub in seinem Fazit, aber in Scope 1 und 2 grundsätzlich möglich. In Scope 3, insbesondere in der nachgelagerten Klärschlammverwertung und der Logistik, seien aber weitere Innovationen notwendig.

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