Abwasser
Bau und Betrieb kleiner SBR-Kläranlagen

22.02.2019 Detaillierte Planung ermöglicht den kostengünstigen Bau und effektiven Einsatz von SBR-Kläranlagen für die Schmutzwasserbeseitigung im ländlichen Raum.  Ein Beitrag von Olaf Dommack.

Auswahl der mechanischen Vorreinigung nach Ausbaugröße in EW
© Foto: Wasser- und Abwasserzweckverband Parchim-Lübz
Auswahl der mechanischen Vorreinigung nach Ausbaugröße in EW
Die nachfolgend getroffenen Aussagen können auf Kläranlagen bis zu einer Ausbaugröße von 5.000EW übertragen werden. Sie sind auch unabhängig von der Ausbaugröße anwendbar. Sie beruhen auf eigenen Planungs- und Betriebsführungstätigkeiten sowie auf Besichtigungen bzw. Erfahrungsberichten im Rahmen meiner Tätigkeit als Lehrer der DWA.

Maschinen- und elektrotechnische Ausrüstung

Die mechanische Vorreinigung entscheidet wesentlich über die Betriebssicherheit der nachgeschalteten Biologie und die Klärschlammentsorgung. Für SBR-Anlagen bis max. 400 EW ist eine mechanische Grobstoffabscheidung hinreichend. Sie wird in Form von ein bis drei Vorklärschächten oder einem Absetzteich mit Schwimmstoffrückhalt ausgeführt. Die Konstruktion und Auslegung kann der EN 12556 und DWA-A 262 entnommen werden.
Entscheidet man sich für eine maschinelle Vorreinigung, so stellt sich zwingend die Frage nach der hygienischen Kapselung und der Frostsicherung des Rechens bzw. Rechenguts. Ab ca. 300 EW kann die maschinelle Vorreinigung bereits vorteilhaft (in der Gesamtheit der Kosten) gegenüber der mechanischen Grobstoffrückhaltung sein. Bei Freigefällezulauf ist ein mit Begleitheizung ausgestatteter Vertikalrechen direkt am Zulauf des Vorspeichers „angeflanscht“ installierbar, und somit eine Außenaufstellung inkl. Container möglich.

Bei der Druckentwässerung kommen gekapselte Rechen in Behälterbauweise zur Ausführung. Der Zulauf kann mit einem MID ausgerüstet werden (Zulaufmengenmessung). Rechen in Behälterbauweise sollten mit Zwangsentlüftung (aus PP) ausgestattet und in einem separaten Raum zusammen mit der Brauchwasseranlage eines Funktionsgebäudes untergebracht werden. Das Brauchwasser zur Abreinigung des Rechens kann über eine Druckerhöhungsanlage mit Vorlagebehälter aus Trinkwasser (DVGW) oder nachhaltiger mit dem Ablaufwasser des Rechens über eine HD-Kreiselpumpe (im Vorspeicher) gewonnen werden, wobei dann ggf. die Reinigungsdüsen im Rechen anzupassen sind. Aufgrund des erhöhten baulichen Aufwandes ist diese Ausführung Kläranlagen ab ca. 600 EW vorbehalten.

Der Ablauf des Rechens wird im Vorspeicher zwischengespeichert. Dieser ist mit einer Umwälzeinrichtung (Rührwerk oder Ejektor) und einer nass aufgestellten Kreiselpumpe (TMP) als Beschickungspumpe zum SBR-Becken sowie einer Füllstandsmessung auszustatten. Alle Aggregate sind als Standard-Produkte mit Halte- und Führungsvorrichtung auszuführen. Die Beschickungsleitung zum SBR-Becken sollte ohne RS-Klappe und Schieber jedoch mit Schwanenhals im SBR-Becken enden. Eine 1/2“ Öffnung am Hochpunkt der Leitung vermeidet dabei das Leerheben des Vorspeicherinhalts. Sämtliche medienberührende Teile aus Edelstahl sollten mind. eine Qualität W.Nr. 1.4571 bzw. bei erhöhten Chlorid-Konzentrationen W.Nr. 1.4408 aufweisen.

Eine gezielte Sandabscheidung sollte erst ab Kläranlagen >1.000 EW zur Ausführung gelangen. Eine grobe Vorauswahl ist Bild 1 zu entnehmen. Der Platzbedarf im Rechenraum steigt um das drei- bis vierfache und das Sandgut ist in einem separaten Container zu lagern und zu entsorgen. Eine platzsparende Alternative kann der Einbau eines Hydrozyklons anstatt eines Langsandfanges sein, siehe Bild 1.

Kleine SBR-Anlage in Passow mit 420 EW © Foto: Wasser- und Abwasserzweckverband Parchim-Lübz
Kleine SBR-Anlage in Passow mit 420 EW


Das SBR-Becken – das Herzstück der Kläranlage – ist mit Umwälz- und Belüftungstechnik sowie mit Abzügen für Klarwasser und Überschussschlamm auszustatten. Aus energetischer Sicht sollten Rührwerke (nicht Ejektoren), ab einem Beckendurchmesser > 8 m als Langsamläufer zur Ausführung gelangen. Feinblasige Belüftung als Schlauchmembran- oder Plattenbelüfter sind zu bevorzugen. Die Belüftung ist bei einstraßigen SBR-Anlagen herausnehmbar (mittels Autokran) auszuführen. Die Drucklufterzeugung übernehmen Drehkolbengebläse, die im Funktionsgebäude installiert werden. Bei Anlagen ohne Gebäude können Tauchmotorbelüfter direkt ins SBR-Becken installiert werden (beachte Lärmpegel). Der Klarwasserabzug besteht aus einem Skimmer (PE oder Edelstahl) mit Spiralschlauch und einer Ablassvorrichtung, die als E-Schieber oder Tauchmotorpumpe ausgeführt werden kann (siehe Bilder 3 und 4). Die angebotenen Klarwasserabzüge ermöglichen einen sicheren Abzug unterhalb der Wasseroberfläche (keine Schwimmstoffe). Die Skimmer sind mit Haltevorrichtungen und Endlager zu versehen, so dass ein erhöhter Schlammabzug bzw. das Entleeren des Beckens vermieden und der Spiralschlauch sicher geführt wird. Bei größeren Anlagen kommen Ablaufrohre mit Gelenken zum Einsatz. Es ist aber zu beachten, dass ein aufwändig konstruierter Klarwasserabzug nicht das schlechte Absetzverhalten des biologischen Schlammes kompensieren kann!
Klarwasserabzug mit Pumpe (links), Klarwasserabzug mit Elektroschieber (rechts) © Foto: Wasser- und Abwasserzweckverband Parchim-Lübz
Klarwasserabzug mit Pumpe (links), Klarwasserabzug mit Elektroschieber (rechts)

Die kontinuierliche Füllstandsmessung sollte mittels hydrostatischem Messverfahren erfolgen, Radar- oder Ultraschallmessung versagen z. T. bei Schwimmschlamm und benötigen eine Blockdistanz.
In den letzten Jahren hat sich die probenfreie Onlinemessung durchgesetzt, die eine praxisnahe Optimierung (Ganglinien-Auswertung) der Kläranlage ermöglicht. Zusätzlich zum Sauerstoff (inkl. Temperatur) sollte Ammonium und Nitrat kontinuierlich gemessen werden, wenn das Rohwasser wesentlich vom häuslichen Charakter abweicht. Dann besteht die Möglichkeit den Sauerstoffeintrag direkt über die Ammoniumkonzentration zu optimieren, was zu einem geringerem Strombedarf führt (über 20 % auf verbandseigener Kläranlage). Weitere Online-Messungen wie pH, LF oder TS sind bei Bedarf einsetzbar, erhöhen aber wesentlich den Investitions- und Wartungsaufwand für die im Mehrwerksbetrieb geführten kleinen Kläranlagen.

Messumformer Messtechnik SBR-Becken © Foto: Bau und Betrieb kleiner SBR-Kläranlagen
Messumformer Messtechnik SBR-Becken

Schaltanlage mit 12“-Panel © Foto: Wasser- und Abwasserzweckverband Parchim-Lübz
Schaltanlage mit 12“-Panel


Auf eine Ablaufmessung kann verzichtet werden, da beim Klarwasserabzug das Volumen aus dem Produkt der Differenz des Füllstandes und der Fläche des SBR-Beckens ermittelbar ist und während dieser Phase kein Rohwasser zufließt.
Der Einsatz folgender Messtechnik ist zu prüfen:
  • hydrostatische Füllstandsmessung zur Füllstands- u. Mengenerfassung
  • Ammonium-Regelung anstatt Sauerstoffregelung zur energetischen Optimierung
  • Visualisierungstechnik mit Standard-Kennlinien zur Fehlerfrüherkennung
  • TS-Messung (Schlammspiegel) zur Steuerung des Klarwasserabzuges
  • Nitrat-, pH, -LF-Messung bei erhöhtem Anteil nicht kommunalem Zuflusses.

Wurden in den 90er Jahren die SBR-Kläranlagen starr mit fester Zyklenzeitprogramm (8 h, 12 h) geplant, so hat sich heute die dynamische füllstandsabhängige Betriebsweise durchgesetzt. Der Vorteil liegt im Verzicht auf unnötige Pausenzeiten bei geringem Zufluss und der besseren Nutzung der vorhandenen Volumina. Jeder Zyklus sollte mit vier Befüllphasen arbeiten, so dass die Biomasse im Rohwasser optimal für den Nährstoffabbau im SBR-Becken zur Verfügung steht. Die Umstellung auf den dynamischen Betrieb erhöht den hydraulischen Durchsatz der Anlage und vergrößert die hydraulische Reserve im Vorspeicher.

Die dynamische Fahrweise führt dazu, dass zur täglich gleichen Uhrzeit immer unterschiedliche Reinigungsphasen anstehen, dieses „Manko“ wird aber in der Verbindung mit der Prozessvisualisierung (Panel) mehr als ausgeglichen.
Der Überschussschlammabzug wird mittels TMP und Rohrleitung ohne zusätzliche Armaturen (ähnlich wie Beschickung SBR-Becken) ausgeführt. Die Ausrüstung des Schlammspeichers besteht aus Rührwerk, Klarwasserabzug, Nassschlammabgabe (Ausführung je nach Entsorger) und Schwimmerschalter als Überlaufsicherung, diese kann aber auch mechanisch als Trichterrohr mit Rücklauf zum SBR-Becken oder Vorspeicher (falls hydraulisch möglich) ausgeführt werden. Der Schlammspeicher sollte den Überschussschlamm mind. 30 Tage speichern können. Speicherzeiten von 3 bis 6 Monaten sind aufgrund der weiter rückläufigen landwirtschaftlichen KS-Entsorgung und oftmals zentralen Sammlung und Weiterverwertung des Überschussschlammes auf größeren Verbandskläranlagen nicht erforderlich.

Bauliche Ausführung

Anlagendesign

Die Bauformen kleiner SBR-Kläranlagen können vereinfacht in drei Anlagentypen unterteilt werden (Bild 7).

  • Ausführung Typ A ≤ 100EW als geschlossene Fertigteilschächte nach DIN. Bei eingefriedeten Anlagen können die Wartungsöffnungen mit Gfk-Gitterrost verschlossen werden, damit entfallen zusätzliche Be- und Entlüftungsdome und Edelstahlschachtabdeckungen. Aufgrund der vielen Einzelbauwerke ist der spezifische Aufwand für die M+E-Technik hoch und der Wartungsaufwand intensiv.
  • Der Typ B sollte ab 100 EW als monolithisches Becken mit Segmentunterteilung ausgeführt werden.
  • Der Typ B, 1 für Anlagen zw. 100EW – 300EW sieht ein Vorklärsegment zur mechanischen Vorreinigung – am besten abgedeckt (Frostgefahr) – vor. Jedes Segment übernimmt eine Reinigungsstufe. Die Schaltanlage ist außen aufgestellt.
  • Der Typ B, 2 für Anlagen > 300EW Ersatz der Vorklärung durch einen Vertikalrechen mit einfachem Funktionsgebäude (z. B. Fertigteilgarage) zur Aufnahme der Schaltanlage und des Gebläses.
  •  Der Typ C für Anlagen > 500EW in aufgelöster einstraßiger Bauweise. Die Becken werden vor Ort monolithisch hergestellt, oder als Fertigteile in Halbschalenbauweise (Mehrkosten) angeliefert.

Anlagendesign kleiner SBR-Anlagen © Foto: Wasser- und Abwasserzweckverband Parchim-Lübz
Anlagendesign kleiner SBR-Anlagen


Das Funktionsgebäude besteht aus Rechen-, Schalt- u. Gebläseraum sowie u.U. einem WC. Auf einen Flur sollte aus Platzgründen ca. 30 m²-Grundfläche verzichtet werden, dafür erhalten alle Räume Außentüren. Aufgrund der Lage der Kläranlagen im Entsorgungsgebiet kann ein WC bzw. Aufenthaltsraum unabhängig der Größe der SBR-Anlage erforderlich sein.

Die Ausrichtung des Gebäudes und dessen Dachflächengestaltung sollte unter der Berücksichtigung der Errichtung einer PV-Anlage erfolgen. Gegenwärtig können ca. 1 kWp/5 m² Dachfläche installiert werden. Bei PV-Anlagen zwischen 5 bis 10 kWp ist eine hohe Eigenstromverbrauchsquote gesichert.

Die höhenmäßige Einbindung der Bauwerke beeinflussen maßgeblich die Bau- und Betriebskosten. Geschlossene Bauwerke oder Schächte, wie Typ A, sollten 10 cm über OK-Gelände angeordnet werden. Offene Becken sind 1 m über OK-Gelände zu errichten, damit die Beckenwand gleichzeitig die Absturzsicherung nach UVV übernimmt. Bei hohen GW-Stand, ungünstigen Baugrundverhältnissen etc. sollten die Bauwerke ≥ 3 m über OK-Gelände angeordnet werden, damit sich der Mehraufwand für die erforderlichen Podeste rechtfertigt. Z. B. erleichtert der oberirdisch angeordnete Schlammspeicher die Schlammabfuhr und den Trübwasserabzug ohne Mehraufwendungen beim Überschussschlammabzug (außer Stromkosten). Hingegen würde ein Vorspeicher in oberirdischer Bauweise bei Freigefällezufluss ein zusätzliches Pumpwerk bedingen. Die genannten Beispiele zeigen, dass bereits in der Vorplanung die Anlagenhydraulik mit der vorh. Topografie abzustimmen ist.

Zusammenfassung

Von den fast 10.000 kommunalen Kläranlagen sind ca.70 % der Größenklasse 1 und 2 zuzuordnen /1/. Davon sind schätzungsweise 20 % (in M-V 18,4%) SBR-Kläranlagen /2/. Somit werden ca. 1.400 Kläranlagen < 5.000 EW in Deutschland nach dem SBR-Verfahren betrieben. Dies zeigt die Bedeutung und Dominanz des SBR-Verfahrens bei kleinen Kläranlagen.

Derzeit steht die Erneuerung der Maschinen- und Elektrotechnik in Verbindung mit der verfahrenstechnischen Optimierung im Vordergrund. Die hierfür eingeplanten Mittel sollten nachhaltig investiert werden, dazu sind folgende Sachverhalte zu prüfen:
  • Nutzung nicht genutzter Bauwerke unter Beachtung des baulichen Zustandes
  • bedarfsgerechte Auslegung der Maschinen-, Anlagen- und Bautechnik
  • Verzicht auf „heiße“ Redundanz, ggf. erf. Leistung auf mehrere Betriebsaggregate aufteilen
  • Verzicht auf Hubgalgen und Köcher, Nutzung Fahrzeug mit Hebearm oder Mobilkran
  • Einsatz von Standardaggregaten und -Messtechnik
  • Prüfung der Notwendigkeit der aeroben Schlammstabilisierung und -speichergröße
  • Prüfung der Verfahrenseignung bei Mischwasserzufluss
  • Funktionalität hat Vorrang ggü. Design.
Der Verfahrensträger sollte alle notwendigen Schritte leitend begleiten und sich bei Bedarf fachlicher Unterstützung Dritter bedienen. Entscheidungshilfen im Vorwege einer Baumaßnahme bieten das Benchmarking bzw. der Erfahrungsaustausch mit anderen Betreibern aber auch Fachseminare und -literatur.
Die intelligente Verknüpfung von Mess- und Betriebsdaten schafft neue Auswertealgorithmen, die dem Mehrwerksbediener das Erkennen und Abstellen von abweichenden Betriebszuständen erleichtern helfen. Letztendlich steht nach wie vor, die Einhaltung der geforderten Reinigungsleistung der Kläranlage im Vordergrund.
Dem Neubau sollte eine fundierte Planung zugrunde liegen. Kostenvergleichsrechnungen (KVR) und betriebliche Erfahrungswerte sollten flankierende Bestandteile der Entscheidungsfindung sein. Die spezifischen Herstellungskosten kleiner SBR-Anlagen können 2.000 €/EW übersteigen, so dass Alternativlösungen (unbelüftete Teichkläranlagen, Durchlaufanlagen, Überleitungen) zu prüfen sind, damit für alle Beteiligten ein nachhaltiges Ergebnis ohne unerwünschte „Nebenwirkungen“ (Nachträge, Mehrkosten, Gebührenerhöhung usw.) erzielt werden kann.

Fachartikel aus wwt wasserwirtschaft wassertechnik Nr. 1/2-2018

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