Modernisierungsreport 2018/2019
Dahlem – Kläranlage Paderborn – Großtechnischer Einsatz biologisch aktivierter Kohle

20.11.2018 Im Rahmen eines Forschungsprojektes auf der Kläranlage Paderborn wird die biologisch aktivierte Aktivkohlefiltration als neuartige Verfahrenskombination in der kommunalen Abwasserbehandlung umfassend untersucht.

Kläranlage Paderborn: Die biologisch aktivierte Aktivkohlefiltration wird als neuartige Verfahrenskombination getestet
© Foto: Dahlem
Kläranlage Paderborn: Die biologisch aktivierte Aktivkohlefiltration wird als neuartige Verfahrenskombination getestet

Die biologisch aktivierte Aktivkohlefiltration (O3-BAK) stellt eine Verfahrenskombination aus vorgeschalteter Ozonierung sowie nachfolgender Filtration mit granulierter Aktivkohle (GAK) dar. Es wird prognostiziert, dass die Kombination von gering dosierten Ozonmengen mit anschließender Aktivkohleadsorption eine Breitbandelimination von Spurenstoffen bewirken kann und durch geringe Sauerstoffverbräuche und längere Filterstandzeiten, Kosten verringert werden können. Schwer abbaubare Produkte werden durch das Ozon „aufgebrochen“ wodurch die Adsorptionsleistung erhöht wird sowie die Stoffe für einen biologisch aktivierten Abbau im Filter verfügbar gemacht werden.

Zielsetzung und Förderung

Primäre Zielsetzung des Forschungsprojekts auf der Kläranlage Paderborn ist ein umfassender Vergleich der bereits mehrfach untersuchten Verfahren Ozonung und GAK-Filtration mit der neuartigen O3-BAK-Filtration.

Gefördert wird das Projekt durch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MUNLV) und durchgeführt in Kooperation mit dem Stadtentwässerungsbetrieb (STEB), dem Ingenieurbüro DAHLEM und dem Institut für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen (ISA).

Ein Planungsschwerpunkt war die Entwicklung eines Versuchsaufbaus, welcher sich möglichst eng an einer späteren großtechnischen Umsetzung orientiert. Hierbei lag der Fokus auf einer weitestgehenden Nutzung der vorhandenen Sandfiltration, um spätere Investitionen zu minimieren.

Bestandsermittlung und Variantenentwicklung
Fließschema Versuchsanlage © Foto: Dahlem
Fließschema Versuchsanlage

Die Kläranlage Paderborn ist für eine Ausbaugröße von 536.000 EWCSB120 ausgelegt, wobei die tatsächliche Belastung ca. 220.000 EWCSB120 beträgt. Zwei der 16 Filterkammern werden für das Forschungsprojekt umgerüstet. Folgende Betriebsweisen werden miteinander verglichen (Bild 2):

  • Ozonung mit nachgeschalteter Sandfiltration

  • O3-BAK-Filtration

  • Referenzfilter GAK.

Für das O3-BAK-Verfahren durchfließt das Wasser einen Reaktionstank mit Ozon. Das ozonierte Wasser wird vom Reaktionstank in einen BAK-Filter geleitet, wo es ein Filterbett aus Aktivkohle durchströmt. Für das GAK-Verfahren erfolgt eine direkte Zuleitung des Ablaufs der Nachklärung in einen GAK-Filter.

Die Auswertung der Ablaufwassermengen zeigt, dass für die Behandlung von 90 % des gesamten jährlichen Abflusses eine Ausbaugröße von nur ca. 40 % von Qmax (= 3.300 m³/h) benötigt wird. Setzt man mittlere Eliminationsraten von 25 % in der Belebung, sowie 80 % in der 4. Reinigungsstufe an, führt diese Teilstrombehandlung zu einer Gesamtelimination von ca. 80 %. Eine Vollstrombehandlung ergibt unter gleichen Ansätzen eine Gesamtelimination von 86 %. Der Ausbau der Gesamtanlage kann bei vergleichbarer Reinigungsleistung mit einer Teilstrombehandlung auf ca. 40 % gegenüber der Vollstromanlage reduziert werden. Als Bemessungswassermenge wird der maximale Trockenwetterabfluss für die Bemessung des Ozongenerators sowie der BAK QBem = QT,max. = 236 m³/h veranschlagt.

Im Regenwetterfall wird der O3-BAK-Filter mit der ozonierten Trockenwettermenge sowie der nicht ozonierten Regenwettermenge Qm= 590 m³/h beaufschlagt. Folglich kommt es zu kürzeren Kontaktzeiten im Regenwetterfall. Der Vorteil dieser Variante liegt in der späteren Übertragbarkeit des Verfahrens auf der Kläranlage Paderborn. Ein Neubau von Filtern bei großtechnischer Umsetzung kann bei erfolgreichem Versuchsablauf vermieden werden.

Gleichzeitig kann der GAK-Referenzfilter mit derselben Wassermenge beaufschlagt werden und eine Vergleichbarkeit der beiden Filter ist gewährleistet.

Kläranlagen Screening

Der Nutzen des Screenings besteht in der Identifikation von relevanten Substanzen bzw. Stoffgruppen und der daraus folgenden Definition projektspezifischer Leitsubstanzen. Für das Screening wurde ein breites Spektrum an Spurenstoffen wie Süßstoffe, Pharmaka, Röntgenkontrastmittel, endokrin wirksame Substanzen (EDC), Pflanzenschutzmittel und Biozide, Organozinnverbindungen, Personal Careprodukte (Moschusverbindungen), Industriechemikalien (Komplexbildner, Flammschutzmittel, Weichmacher (Phthalate), PFC mehrfach und Nährstoffe bzw. Summenparameter im Zulauf der KA und im Ablauf der Nachklärung (NK) gemessen.

Identifikation relevanter Indirekteinleiter

Um die aufwendige Elimination von Spurenstoffen einzelner Verursacher im Ablauf der Kläranlage zu minimieren (end-of-pipe-Prinzip), wurde ein besonderer Schwerpunkt auf Messungen zur Identifikation relevanter Indirekteinleiter gelegt.

Auffällig hohe Konzentrationen eines Flammschutzmittels konnten durch Gespräche mit dem Indirekteinleiter zukünftig vermieden werden. Weiterhin konnte bei einem metallverarbeitenden Betrieb, nach Prüfung und Durchführung von Testreihen durch diesen, ein Ersatzmittel für 1H,1H,2H,2H-Perfluoroctansulfonsäure gefunden werden.

Dimensionierung der Pilotanlagen

Das Volumen des Ozonreaktors muss eine ausreichende Reaktionszeit der Abwasserinhaltsstoffe mit dem Ozon sicherstellen. Die früher gängige Abschätzung einer pauschalen Aufenthaltszeit von 10 bis 30 Minuten vernachlässigt die spezifische Abwassermatrix der Kläranlage. Zur Bestimmung des Ozonzehrungsverhaltens des Abwassers der Kläranlage Paderborn wurden daher Laborversuche durchgeführt. Zur Bemessung eines Ozonreaktors wurden dann ein empirischer Ansatz1 sowie ein funktionaler Ansatz2 auf Basis der Ermittlung von Reaktionskonstanten und der Verweilzeitverteilung des Reaktormodells angesetzt.

Ein umfangreicher Variantenvergleich führte zur Auswahl eines Pumpe-Injektor-Systems zur Eintragung des Ozons. Der Austausch des Filtermaterials erforderte die Anpassung des Spülwasserstroms und einen Eingriff in das Regelungskonzept der Filtration. Zur Regelung des Ozoneintrags wurden eine volumenproportionale, eine DOC-frachtproportionale Steuerung sowie eine Regelung über die Absorbanzabnahme vorgesehen.

Anlagenbetrieb

Während der Inbetriebnahme und Testphase konnte über mehrere Tage kein stabiler Anlagenbetrieb realisiert werden. Hauptursache waren Verstopfungen des Pumpe-Injektor-Systems durch verstärkte Algenbildung im Ablauf der Nachklärung während der Sommermonate. Hierfür wurde eine Filterstufe vor die Ozonierung bzw. den Injektor geschaltet. Die Anfälligkeit der Pumpe-Injektor-Technik für Abwasser aus dem Ablauf der Nachklärung in Paderborn ist bereits als erstes Ergebnis des Forschungsprojekts zu verzeichnen.

Betriebskonzept Ozonung © Foto: Dahlem
Betriebskonzept Ozonung

Ausblick

Die Randbedingungen und Verfahrensschritte der Kläranlage Paderborn sind typisch für Anlagen ähnlicher Ausbaugröße. Es ist daher davon auszugehen, dass die gewonnenen Ergebnisse aus Planung und Forschung auf eine Vielzahl von Anlagen in Deutschland übertragbar sind. Neue Erkenntnisse ergeben sich durch die Möglichkeit des direkten Vergleichs der drei untersuchten Verfahren sowie der Ab-bildung der tatsächlich auftretenden Betriebszustände im Mischwasserfall.

Literatur

  1. Kompetenzzentrum Mikroschadstoffe NRW: Anleitung zur Planung und Dimensionierung von Anlagen zur Mikroschadstoffelimination, 2016

  2. Keysers, C.: Entfernung organischer Spuren­ stoffe aus kommunalem Abwasser, Dissertation, Hrsg.: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Aachen, 2016


www.dahlem-ingenieure.de

Beitrag aus wwt − wasserwirtschaft wassertechnik Modernisierungsreport 2018/19

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