Klärschlamm
Klärschlammverwertung in Deutschland – Entwicklung und Tendenzen

29.10.2019 In kurzer Folge wurden mit der Novellierung des Düngerechts und der Klärschlammverordnung maßgebliche Impulse in der gegenwärtigen und künftigen Klärschlammverwertung gesetzt, die zu einem Paradigmenwechsel führten.

Bild 1 Behälter der Biogasanlage der Kläranlage Schönerlinde. Betreiber sind die Berliner Wasserbetriebe
© Foto: Andritschke
Bild 1 Behälter der Biogasanlage der Kläranlage Schönerlinde. Betreiber sind die Berliner Wasserbetriebe
Die Vorgaben der Klärschlammverordnung werden mittelfristig dazu führen, dass die bodenbezogene Klärschlammverwertung weiter eingeschränkt und tendenziell der thermischen (Vor-)Behandlung eine dominierende Rolle zukommen wird. Die Folgen der Änderungen im Düngerecht sind bereits jetzt zu spüren. Sie führten regional unmittelbar zu einem mehr oder weniger drastischen Anstieg des Bedarfs an thermischen Kapazitäten.

Novelle der Klärschlammverordnung

Elementarer Kernpunkt der novellierten Klärschlammverordnung von 2017 ist die künftige Rückgewinnungspflicht von Phosphor (P) aus Klärschlamm bzw. Klärschlammverbrennungsaschen. Nach Ablauf einer 12- bzw. 15-jährigen Übergangsphase, die sich an der Ausbaugrößen der Kläranlage orientiert, dürfen größere Kläranlagen ihren Klärschlamm nicht mehr bodenbezogen ver¬wer¬ten. Unabhängig von der Ausbaustufe muss danach P aus allen Klärschlämmen zurückgewonnen werden, die einen P-Gehalt von 20 g/kg Trockenmasse (TM) oder mehr aufweisen. Dabei müssen solche Rückgewinnungsverfahren eingesetzt werden, die den P-Gehalt auf weniger als 20 g/kg TM absenken oder mindestens 50 % des in der Trockenmasse enthaltenen P aus dem Klärschlamm selbst bzw. mindestens 80 % des in den Klärschlamm¬verbren¬nungsaschen enthaltenen P nutzbar machen. Für Klärschlämme aus kleineren Kläranlagen (≤ 50.000 Einwohnerwerte (EW)) besteht auch künftig die Möglichkeit der bodenbezogenen P-Verwertung. Bis 2029 bzw. 2032 dürfen die Klärschlämme aus allen Klär¬anlagen bodenbezogen unter Einhaltung der Kriterien des Abfall- und Düngerechts verwertet werden.



Weiterhin sind die Kläranlagenbetreiber ab 2023 verpflichtet, über die geplanten und eingeleiteten Maßnahmen zur P-Rückge¬winnung, der bodenbezogenen Verwertung oder der sonstigen Entsorgung im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes der zuständigen Behörde zu berichten. Diesem Bericht ist der ab 2023 verpflichtend zu messende P-Gehalt des Klärschlammes beizufügen /1/. In Tabelle 1 sind die sich aus der Neufassung der Verordnung ergebenden Pflichten zusammengefasst.

Mit der Neufassung der Klärschlammverordnung wird ebenfalls das Deponierecht angepasst. Für Klärschlammverbrennungsaschen und kohlenstoffhaltige Rückstände (aus alternativen thermo-chemischen Konversionsverfahren, wie z. B. Vergasung und Pyrolyse) wurde zum Zwecke einer späteren P-Rückgewinnung die Möglichkeit geschaffen, diese Aschen befristet für maximal fünf Jahre zu lagern, sofern eine Vermischung mit anderen Abfällen ausgeschlossen ist.

Hinsichtlich der thermischen Verwertung sind mit der Novelle weitere Pflichten an die Betreiber von Verbrennungsanlagen übertragen worden. So sind Betreiber einer Klärschlamm(mit) -verbrennungsanlage nach §3 Abs. 2 verpflichtet, die Verbrennungsaschen unmittelbar einer P-Rückgewinnung oder stofflichen Verwertung (unter Nutzung des P-Gehalts) zuzuführen. Die Verbrennungsanlagenbetreiber haben über das Ergebnis der durchgeführten P-Rückgewinnung, der stofflichen Verwertung bzw. der Langzeitlagerung die Nachweis- sowie die Berichtspflicht an den Klärschlammerzeuger und dessen zu-ständige Behörde. Parallel dazu bleibt der Klärschlammerzeuger ebenfalls in der Pflicht. Er muss den Nachweis der Zuführung an eine Klärschlamm(mit)verbrennungsanlage sowie über die durchgeführte P-Rückgewinnungsmaßnahme an seine zuständige Behörde erbringen. Die wesentlichen, sich für die Entsorgungswirtschaft ergebenden Pflichten und Verwertungsmöglichkeiten kommunaler Klärschlämme sind in Bild 1 dargestellt.
Bild 2 Mögliche Entsorgungs- und Verwertungswege für Klärschlamm über 50.000 EW ab 2032 © Foto: UBA
Bild 2 Mögliche Entsorgungs- und Verwertungswege für Klärschlamm über 50.000 EW ab 2032

Klärschlammanfall und -entsorgung

Während 2001 noch knapp 2,2 Mio. t TM Klärschlamm entsorgt wurden, hat sich die Gesamtmenge bis zum Jahr 2017 auf 1,71 Mio. t TM verringert. Die Ursachen in der mit über 20 % deutlich verringerten Gesamtmenge sind u. a. in der konti-nuierlichen Effizienzsteigerung und im Zubau der anaeroben Schlammstabilisierung bzw. der Verwendung effektiverer Abscheider zu finden.

In Bild 2 ist die Entwicklung der verschiedenen Klärschlammentsorgungswege seit 2001 dargestellt. Hierbei kann erkannt werden, dass der thermisch behandelte Klärschlammanteil (Mono- und Mitverbrennung) seit 2001 von 23 % bis 2017 auf 69 % erheblich zugenommen hat.
Klärschlammentsorgung in den Jahren 1991 bis 2016 /3/ © Foto: UBA
Klärschlammentsorgung in den Jahren 1991 bis 2016 /3/

Die bodenbezogenen Verwertungswege (Landschaftsbau, Kompostierung, landwirtschaftliche Verwertung, sonstige stoffliche Verwertung) stellten noch 2007 einen etwa äquivalenten Anteil gegenüber den thermischen Verwertungswegen dar. Im Zeitraum bis 2017 hat sich dieses Verhältnis zugunsten der thermischen Klärschlammbehandlung verschoben (etwa 69 %). Die stofflichen Verwertungswege stellen mittlerweile nur knapp 10 % (Landschaftsbau) bzw. etwa 18 % (Landwirtschaft) der Gesamtmenge. Die absolute Steigerung der thermischen Behandlung betrug im gleichen Zeitraum aufgrund insgesamt sinkenden Klärschlammanfalls 17 %. Die Abnahme des Anteils der bodenbezogenen Verwertung kann einerseits auf gesteigerte Anforderungen bzw. Ausbringungsbeschränkungen des Düngerechts, aber auch auf die regional zunehmende Konkurrenz zu Wirtschaftsdüngern (wie Gülle) zurückgeführt werden.

Thermische Klärschlammbehandlung

Im Allgemeinen werden unter dem Begriff „thermische Klärschlammbehandlung“ alle Verbrennungsverfahren zusammengefasst, die den Klärschlamm in sog. Monoverbrennungsanlagen (einschließlich Vergasung) sowie in Anlagen zur Mitverbrennung (Stein- und Kohlekraftwerke, Zementwerke sowie Abfallverbrennungsanlagen) behandeln. Darüber hinaus werden seit einigen Jahren alternative Konversionsverfahren (z. B. der Pyrolyse) erprobt.

Klärschlammverbrennung

Aktuell sind 22 Klärschlammverbrennungsanlagen und eine -vergasungsanlage mit einer kumulierten, genehmigten Behandlungskapazität von rund 670.000 t TM/a sowie sieben betriebliche Klärschlammverbrennungsanlagen (Kapazität 210.000 t TM/a) installiert. Die Auslastung der theoretisch verfüg¬baren Anlagenkapazitäten liegt dabei bei gut 70 % für kommunale Klärschlämme bzw. bei etwa 80 % für industrielle Klärschlämme /4/. Die stationäre Wirbelschichttechnologie stellt unter den insgesamt 23 betriebenen Klärschlammverbrennungsanlagen mit 19 Anlagen (einschließlich Vergasung) den über¬wiegenden Anteil. Dahingegen fanden alternative Konversionstechnologien (Rostfeuerung, Etagenwirbler, Etagenofen, Pyrolyse) bisher nicht in der Breite Anwendung, einige Technologien werden allerdings seit einigen Jahrzehnten - so wie Wirbelschichtanlagen - erfolgreich (Etagenwirbler bzw. -ofen) betrieben.

Mitverbrennung

Die Mitverbrennung von Klärschlämmen erfolgt vor allem in Kohlekraftwerken (Stein- und Braunkohle), Abfallverbrennungs¬anlagen und Zementwerken. 2016 wurden insgesamt knapp 570.000 t TM mitverbrannt, wovon die Kohlekraftwerke mit etwa 401.000 t TM den Hauptteil aufnahmen. Zur Mitverbrennung in Zement-werken wurden etwa 125.000 t TM kommunaler Klärschlamm ge¬nutzt, in Hausmüllverbrennungsanlagen kamen etwa 42.000 t TM zum Einsatz (Tab. 2).



Die Klärschlammverwertung durch die Zementindustrie bietet neben der Nutzung des energetischen Potenzials auch den Vorteil der Rohstoffsubstitution (Eisenerz bzw. Sand) durch die Klärschlammmineralik. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass ein zu hoher P-Anteil die Produktqualität des Zementes beeinträchtigen kann. Die Zementproduktion ist ein sehr energieintensiver Prozess, weswegen vorrangig vollgetrocknete Klärschlämme zum Einsatz kommen, die z. T. am Produktionsstandort selbst durch Abwärmenutzung des Produktionsprozesses getrocknet werden. Die in der Zementproduktion verwerteten Klärschlammmengen haben sich von 2004 (etwa 13.000 t TM) bis heute (rund 125.000 t TM) annähernd verzehnfacht. Die in den Abfallverbrennungsanlagen behandelte Klärschlammmenge lag in den letzten Jahren auf einem nahezu konstanten Niveau und betrug 2016 etwa 42.000 t TM pro Jahr (rund 3 % des Gesamtaufkommens).

Entwicklung der thermischen Klärschlammbehandlung

Vor dem Hintergrund der künftig verpflichtenden P-Rückgewinnung sind die derzeitigen Mitverbrennungskapazitäten der Zementindustrie sowie der Abfallverbrennung kritisch zu bewerten. Hintergrund ist der, dass hier in Zukunft nur solcher Klärschlamm mitverbrannt werden darf, dessen P-Gehalt bereits beim Klärschlammanfall unter 2 % liegt oder durch einen P-Rückgewinnungsprozess verordnungsgemäß reduziert wird. Entsprechend § 3b der novellierten Klärschlammverordnung dürfen Kohlekraftwerke weiterhin Klärschlamm mitverbrennen, sofern eine Rückgewinnung bzw. stoffliche Nutzung des P der Verbrennungsaschen erfolgt. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass infolge des Kohleausstiegs künftig geringere Mitverbrennungskapazitäten zur Verfügung stehen werden. So wird sich durch die bereits beschlossenen Kraftwerksstilllegungen allein bis 2020 die Behandlungskapazität um etwa 73.000 t TM/a verringern.

Die Neuordnung der Klärschlammverwertung bietet mit 12 bzw. 15 Jahren ausreichende Fristen zur Errichtung der notwendigen thermischen Behandlungskapazitäten. Dagegen verursachte die Novellierung des Düngerechts in 2017 (Düngeverordnung und Düngemittelverordnung) eine unmittelbare Einschränkung der bodenbezogenen Klärschlammverwertung und führte damit – insbesondere in den nördlichen Bundesländern – zu einem temporär gesteigerten Bedarf an thermischen Behandlungskapazitäten. Da diese Kapazitäten kurzfristig nicht verfügbar waren, waren Kläranlagenbetreiber gezwungen, ihren Klärschlamm zwischen zu lagern. Vor diesem Hintergrund sind aktuell Planungen zur Errichtung neuer thermischer Behandlungskapazitäten und zum Ausbau von Bestandsanlagen vermehrt zu beobachten. Allein durch Umbau bzw. Zubau von weiteren Verbrennungslinien soll künftig die theoretisch verfügbare Behandlungskapazität der Bestandsanlagen um etwa 20 % auf über 810.000 t TM/a gesteigert werden. Die Errichtung von Neuanlagen wird momentan an über 20 Standorten mit einer theoretischen Kapazitätssteigerung um weitere gut 800.000 t TM/a geprüft. Die Planungen umfassen dabei hauptsächlich Konzepte in direkter Anbindung an Kläranlagen, teilweise aber auch an Standorte mit bestehenden Feuerungen (insb. Müllverbrennungsanlagen), wodurch sich Syner-gien in der Nutzung vorhandener Abwärme und Infrastrukturen heben lassen. Aufgrund der teilweisen Überschneidung der Einzugsgebiete werden von diesen Planungen sicherlich nicht alle realisiert werden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass infolge des Anlagenneubaus die Kapazitätssteigerung von mindestens 500.000 t TM/a erreicht wird /8/.

Konzepte zur P-Rückgewinnung


Möglichkeiten und Verfahren
Ziel der langjährigen Erforschung und Entwicklung von Verfahren zur P-Rückgewinnung war, P mit möglichst nicht zu hohem technischem und wirtschaftlichem Aufwand aber mit der bestmöglichsten Effizienz aus dem Pfad Abwasser-Klärschlamm stofflich nutzbar zu machen. Die wertvolle Ressource P sollte einerseits nicht mit dem Klärschlamm, der zunehmend nicht mehr landwirtschaftlich verwertet wird, verloren gehen. Andererseits gab es nicht erst mit dem Koalitionsvertrag von 2013 Forderungen die bodenbezogene Klärschlammverwertung ganz zu untersagen, damit mit den im Klärschlamm enthaltenen Nährstoffen nicht auch Schadstoffe wie Arzneimittelrückstände, Krankheitserreger, Mikroplastik und andere potenziell schädliche Substanzen in die Umwelt gelangen. Da infolgedessen P dem Kreislauf entzogen würde, sollte P auf technischem Weg zurückgewonnen werden und so dem Kreislauf erhalten bleiben. Dabei blieben Politik und Wissenschaft zunächst bewusst technologieoffen. In breit angelegten Fördermaßnahmen (u. a. BMBF/BMU-Förderinitiative „Kreislaufwirtschaft für Pflanzennährstoffe, insbesondere Phosphor", 2004) wurde die Entwicklung von Rückgewinnungsverfahren vorangetrieben.

Theoretisch gibt es die Möglichkeit P an folgenden Stellen aus dem Abwasser-Klärschlammpfad zurückzugewinnen: aus dem Kläranlageablauf, dem Faulschlamm oder dem Schlammwasser (mit und ohne vorheriger P-Rücklösung), dem zu entsorgenden Klärschlamm (entwässert oder teilentwässert) und der Klärschlammasche nach thermischer Behandlung (Bild 4).

Dabei bieten sich in der flüssigen Phase Fällungs- und Kristallisationsverfahren an, die in der Regel einfach umzusetzen und gut am Kläranlagenstandort zu integrieren sind sowie P in rechtskonformer Düngemittelqualität zurückgewinnen. Die ent¬wickelten Verfahren haben den Vorteil, dass sie auch das Problem spontaner Struvitfällungen und damit einhergehende Inkrustationsprobleme lösen und der Klärschlamm durch den Entzug von P leichter zu entwässern ist. Allerdings sind die Rückgewinnungsraten insgesamt eher gering. Durch Maßnahmen zur Rücklösung von gebundenem P durch z. B. Thermo-/Druckhydrolyse oder Säurezugabe kann die P-Ausbeute gesteigert werden.

Verfahren, die insgesamt eine sehr hohe P-Rückgewinnung garan¬tieren, basieren zumeist auf thermischen Verfahren bzw. werden nach der thermischen Vorbehandlung (Monoverbrennung) durchgeführt. Durch nass-chemischen Aufschluss der Klärschlammasche kann P z. B. in Form von P-Säure oder als düngemitteltaugliches Dicalcium- oder Monoammoniumphosphat (DCP, MAP) zurück¬gewonnen werden. Möglich ist auch das Säure-Klärschlammaschegemisch, mit oder ohne Ausschleusung von Schwermetallen (z. B. durch Fällungsprozesse), zu Düngemitteln aufzubereiten. Verfahren zur thermochemischen Behandlung der Asche, wobei mittels Additiven Schwermetalle aus dem Prozess geschleust und der P-haltige Rückstand zu Düngern aufbereitet werden kann, wurden ebenfalls entwickelt. Die aschebasierten Rückgewinnungsverfahren sind zumeist technisch aufwändig und müssen am Ende der Klärschlammverwertungskette separat genehmigt und installiert werden.

Darüber hinaus wurden weitere Verfahrensansätze verfolgt wie z. B. elektrochemische Verfahren, die eher auf kleinere Durchsatzmengen abzielen oder Wege, bei denen die Klärschlammasche direkt zu Düngemitteln aufbereitet wird, ohne dass vorhandene Schadstoffe eliminiert oder die Löslichkeit des P angehoben werden. Auch metallurgische, Pyrolyse- und Karbonisierungsverfahren wurden mit Blick auf die P-Rückgewinnung und -nutzung experimentiert, sind aber häufig technisch sehr aufwändig, bringen verfahrensseitig Probleme mit sich oder erzeugen, zumindest nach aktueller Rechtslage, kein verwendbares (Dünge-)Produkt.
Bild 4 Klärschlammbehandlung und P-Rückgewinnung im rechtlichen Kontext © Foto: UBA
Bild 4 Klärschlammbehandlung und P-Rückgewinnung im rechtlichen Kontext

Gesetzeslage und P-Rückgewinnung
Mit Abschluss der abwasserseitigen Behandlung, wenn also Klärschlamm vom Kläranlagenbetreiber zu Zwecken der Entsorgung abgegeben wird, entsteht Klärschlamm im Sinne der Klärschlammverordnung. Rechtlich verlässt er hier das Wasserrecht und geht ins Abfallregime über (Bild 3). Bei der Entsorgung kann Klärschlamm z. B. teil- oder vollentwässert vorliegen. Klärschlamm, der zu Düngezwecken abgegeben wird, unterliegt seit 2015 zusätzlich dem Düngerecht. In der seit 2017 rechtskräftigen Novelle der Klärschlammverordnung wurden die Anfor¬derungen an die bodenbezogene Klärschlammverwertung verschärft und der Anwendungsbereich auf Maßnahmen des Landschaftsbaus ausgedehnt. Erstmals beinhaltet die Verordnung Vorgaben zur Rückgewinnung von P aus Klärschlamm und Klärschlammverbrennungsaschen.

Gemäß der aktuellen Rechtslage sind nur P-Rückgewinnungsverfahren, die im Bereich Klärschlamm oder Klärschlammasche bzw. -verbrennungsrückstand ansetzen, P-Rückgewinnungsverfahren im Sinne der Verordnung. Für Verfahren, die vor der abgeschlossenen Klärschlammbehandlung, also auf der Kläranlage im Faulschlamm oder Schlammwasser durchgeführt werden, gilt die Klärschlammverordnung nicht. So muss hier weder ein bestimmter Prozentsatz der P-Fracht zurückgewonnen und stofflich nutzbar gemacht werden, noch gelten die Vorgaben der Verordnung als erfüllt, wenn zwar mehr als 50 % P zurück-gewonnen wurde, die Restmenge im Klärschlamm jedoch noch über 20 g P/ kg TM liegt. P, welcher im Rahmen der Abwasserbehandlung abgetrennt wird, müsste demnach nicht zwingend als Produkt gewonnen und in den Kreislauf zurückgeführt werden. Theoretisch können auf der Kläranlage auch solche P-Reduzierungsmaßnahmen zum Einsatz kommen, die den P-Gehalt im Klärschlamm lediglich senken (z. B. Kalkbeimischung, Beimischung P-armer Materialien zur Co-Vergärung u. ä.).

Wird die P-Konzentration abwasserseitig unter 20 g/ kg TM gesenkt (Abscheidung, Verdünnung), dann muss der Gesetzeslage nach keine P-Rückgewinnung aus dem Klärschlamm erfolgen. Steigt im Rahmen der abwassertechnischen Behandlung die P-Konzentration im Klärschlamm jedoch an (Aufkonzentrierung durch Hydrolyse-Prozesse und hohe Abbaugrade in der Faulung) ist der Aufwand im Zuge einer späteren P-Rückgewinnung ggf. höher /9/. Damit solche Effekte vermieden werden und kein P verloren geht, wäre es sinnvoll die Gesetzeslage auf mittel- bis langfristig Sicht zu harmonisieren. Denkbar wäre es z. B. eine Anpassung im Bereich der Abwasserverordnung vorzunehmen.

Der Klärschlamm unterliegt seit 2015 dem Düngerecht. Klärschlamm hat, wenn er als Dünger ausgebracht werden soll, nicht allein die Vorgaben und Grenzwerte der Klärschlammverordnung zu erfüllen, auch die Vorgaben aus der Düngemittelverordnung, der Düngeverordnung und dem Düngegesetz müssen eingehalten werden. Dortige Regelungen führten zum weiteren Rückgang der in der Landwirtschaft verwendeten Klärschlammmengen. Zum einen konnten einige Klärschlämme die so verschärften Grenzwerte /10/ nicht mehr einhalten und mussten infolgedessen thermisch entsorgt werden. Zum anderen stehen Klärschlämme durch die Ausbringungsbeschränkungen heute in großer Konkurrenz zu Wirtschaftsdüngern wie Gülle, denn die zulässigen Nährstoffgaben (Stickstoff und Phosphor) mussten aufgrund hoher Nitratgehalte im Grundwasser stark reglementiert werden /11/.

Die Düngemittelverordnung hat auch direkte Auswirkungen auf die P-Rückgewinnung. Nur solche Verfahren haben langfristig gesehen eine Chance am Markt, die düngefähige Produkte erzeu¬gen. Die P-Rückgewinnung ist daher immer mit Blick auf die Produktqualität (Schadstoffgehalte, Einsatzmöglichkeiten und -chancen) zu betrachten. Letztlich sollten auch wirtschaftliche Faktoren bei der großtechnischen Verfahrensentwicklung ebenso bedacht werden wie ökologische Aspekte.

Zusammenfassung

Mit der novellierten Klärschlammverordnung soll nach einer Übergangsfrist bis 2029 bzw. 2032 die direkte bodenbezogene Verwertung von Klärschlamm aus Kläranlagen > 100.000 bzw. > 50.000 EW eingestellt werden. Künftig muss ab einem Gehalt von ≥ 20 g P im Klärschlamm (TM) eine P-Rückgewinnung durchgeführt werden. Für kleinere Anlagen bleibt der Weg der landwirtschaftlichen oder landbaulichen Klärschlammverwertung bei Erfüllung abfall- und düngerechtlicher Anforderungen offen. Kleine Anlagen können ebenso eine technische P-Rückgewinnung durchführen.

Der in Deutschland anfallende kommunale Klärschlamm wird bereits zu gut zwei Dritteln thermisch behandelt, wobei die genutzte Monoverbrennungskapazität etwas mehr als ein Viertel an der Gesamtklärschlammmenge ausmacht. Mit etwa 401.000 t TM pro Jahr bieten Kohlekraftwerke eine vergleichbare thermische Behandlungskapazität. Zur thermischen Behandlung der Klärschlammmengen, die aufgrund der neuen Gesetzeslage künftig nicht mehr bodenbezogen verwertet werden dürfen, bedarf es mittelfristig weiterer Kapazitäten, d. h. zusätzlicher Verbrennungsanlagen. Der Ausbau dieser Kapazitäten findet derzeit bereits statt, allerdings resultiert die Motivation eher in den durch das veränderte Düngerecht gestiegenen Hindernissen der bodenbezogenen Verwertung. Durch geplante Kraftwerksstilllegungen werden die Mitverbrennungskapazitäten zusätzlich ein-geschränkt.

Die P-Rückgewinnung muss in den nächsten Jahren großtechnisch umgesetzt werden. Aufgrund der aktuellen Rechtslage ist zu erwarten, dass Verfahren, die P aus der thermisch vorbehandelten Klärschlammasche zurückgewinnen (in Form von z. B. P-Säure, DCP) oder nutzbar machen (direkte Aufbereitung zu Düngemitteln mit oder ggf. ohne Schwermetallentfrachtung), am ehesten sowohl die Vorgaben der Klärschlammverordnung einhalten als auch aus wirtschaftlicher Sicht rentabel sind. Technologien die kein als Düngemittel oder anderweitig stofflich verwertbares Produkt erzeugen, werden langfristig gesehen, am Markt kaum Chancen haben sich zu etablieren.

Die Klärschlammverordnung setzt dort an, wo Klärschlamm zum Abfall wird. Um die technischen und strategischen Entwicklungen hinsichtlich P-Rückgewinnung auf der Kläranlage weiter zu fördern und zu verhindern, dass P z. B. durch Verdünnungsmaßnahmen dem Kreislauf verloren geht, sollte geprüft werden, ob sich aus der novellierten Klärschlammverordnung Konkretisierungsbedarf auf abwasserrechtlicher Seite ergibt. Infolge der Entwicklungen im Düngerecht ist zu erwarten, dass der Druck, der größtenteils auf die Begrenzung von Nährstoffeinträgen zurückzuführen ist, die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm zugunsten der Gülle weiter zurückgehen lassen wird. So werden sich voraussichtlich auch kleine Kläranlagen mit qualitativ gutem Klärschlamm künftig über anderweitige Wege der Klärschlammentsorgung Gedanken machen müssen.

Literatur

/1/ Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung (Klärschlammverordnung – AbfKlärV); BGBl. I S. 3465, Bonn, 27.09.2017.
/2/ Roskosch, A.; Heidecke, P. et. al (2018): Klärschlammentsorgung in der Bundesrepublik Deutschland; Umweltbundesamt; Dessau-Roßlau.
/3/ Destatis: Wasserwirtschaft: Klärschlammentsorgung aus der öffentlichen Abwasserbehandlung 2017.
/4/ Six, J. (2018): Auswertung der KEK 3 Umfrage. DWA-Arbeitskreis KEK 3, Frankfurt.
/5/ Interessengemeinschaft der Thermischen Abfallbehandlungsanlagen in Deutschland e.V. (ITAD): Mitverbrannte Klärschlammmengen.
/6/ Verein Deutscher Zementwerke e.V. (2017): Environmental Data of the German Cement Industry 2016; Düsseldorf.
/7/ BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (2018): Auswertung der Verbandsumfrage, Berlin.
/8/ Six, J.; Lehrmann, F.; Heidecke, P. (2019): Übersicht bestehender Kapazitäten zur thermischen  Klärschlammbehandlung und Einschätzung zum künftigen Bedarf und der Entwicklung der Verbrennungskapazitäten, 11. DWA Klärschlammtage, Würzburg.
/9/ Kraus, F.; Zamzow, M.; Conzelmann, L.; Remy, C.; Kleyböcker, A.; Seis, W.; Miehe, U. (2018): Ökobilanzieller Vergleich der P-Rückgewinnung aus dem Abwasserstrom mit der Düngemittelproduktion aus Rohphosphaten unter Einbeziehung von Umweltfolgeschäden und deren Vermeidung, Umweltbundesamt.
/10/ Verordnung über das Inverkehrbringen von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln (Düngemittelverordnung - DüMV); I 1305, Bonn, 26.5.2017.
/11/ Verordnung über die Anwendung von Düngemitteln, Bodenhilfsstoffen, Kultursubstraten und Pflanzenhilfsmitteln nach den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung - DüV); BGBl. I S. 1305, Bonn, 26. Mai 2017.

Ein Beitrag von Patric Heidecke & Dr. Andrea Roskosch

Fachartikel aus wwt wasserwirtschaft wassertechnik Nr. 10/2019

Weitere interessante Fachartikel aus ENTSORGA-Magazin und wwt wasserwirtschaft wassertechnik finden Sie hier.

stats