Special: Rohre & Kanäle
Besser vor Starkregen warnen

24.02.2020 Ein verbessertes Warnmodell vor Starkregen arbeitet mit Radardaten und Vorhersageensembles. Die Anwendungen reichen von Freiluftveranstaltungen über Kläranlagen- und Kanalnetzsteuerungen bis zu Überflutungswarnungen.

Bild 1 Lokal auftretender und örtlich sehr begrenzter Starkregen mit hohen Intensitäten im Hintergrund Starkregen, vorn kein Regen.
© Foto: Hydro & Meteo GmbH & Co. KG
Bild 1 Lokal auftretender und örtlich sehr begrenzter Starkregen mit hohen Intensitäten im Hintergrund Starkregen, vorn kein Regen.
Eine Starkregenwarnung ist immer eine Kombination aus einer Starkregenvorhersage und Anforderungen aus der Anwendung, für die die Warnung erstellt wird. Die Vorhersage ist eine meteorologische Berechnung, die dann für die Warnung mit den Anforderungen aus der Anwendung verknüpft wird. Anwendungen können dabei vielfältig sein und reichen von Freiluftveranstaltungen über Kläranlagen- und Kanalnetzsteuerungen bis zu Überflutungswarnungen. Die Anforderungen aus der Anwendung definieren auch, wie wichtig es ist, alle auftretenden Ereignisse zu bewarnen (und eventuell zu häufig zu warnen) und wie viele Fehlalarme zulässig sind. Eine Vorhersage konnte bisher zum einen aus Radardaten durch Nowcasting (Vorhersage der Zugbahn von Niederschlagszellen unter Nutzung von Bilderkennungsmethoden) oder aus der numerischen Wettervorhersage (z. B. COSMO-D2) erstellt werden. Die radarbasierten Nowcasts werden alle fünf Minuten mit neuen Messdaten aktualisiert und können dadurch die Niederschläge einer Starkregenzelle zeitnah wesentlich besser vorhersagen als numerische Wettervorhersagen, die alle drei Stunden aktualisiert werden. Andererseits liefern sie nur bis ungefähr drei Stunden in die Zukunft verwertbare Vorhersagen. Die optimale Vorhersage für die Starkregenwarnung kombiniert daher Nowcasts und numerische Wettervorhersagen.
Bild 2 Radarkomposit für Norddeutschland aus den Radarstandorten Borkum, Boostedt, Rostock und Hannover © Foto: Hydro & Meteo GmbH & Co. KG
Bild 2 Radarkomposit für Norddeutschland aus den Radarstandorten Borkum, Boostedt, Rostock und Hannover


Die Radarbasisdaten

Die Radarbasisdaten für das Nowcasting sind Radardaten der Standorte Borkum, Boostedt, Rostock und Hannover, die alle 5 Minuten vorliegen, korrigiert werden und auf ein 1 x 1 km-Raster als so genanntes Komposit umgerechnet werden. Das Radarkomposit  wird anschließend mit Hilfe der über 400 stündlichen Niederschlagsstationen des Deutschen Wetterdienstes angeeicht, so dass die resultierenden Radarmessdaten an den Standorten der Regenschreiber mit den Stationswerten übereinstimmen.

Als Ergebnis des BMBF-Projekts StucK (Förderkennzeichen 033W031) wird ein Ensemble von Radarnowcasts mit 10 Ensemblevorhersagen erstellt. Ein Ensemble (d.h. verschiedene, gleich wahrscheinliche Vorhersagen) entsteht dabei durch Variation der Parameter Zuggeschwindigkeit, Zugrichtung und Intensität /4/. Diese werden mit den 20 Ensembles von COSMO-D2-EPS /1/ kombiniert („blending“). So entstehen 20 neue Ensemble-Members, die den Vorhersagezeitraum von fünf Minuten bis 27 Stunden abdecken, und alle fünf Minuten aktualisiert werden. Dadurch erhält man mehrere mögliche Vorhersagen, die bei richtiger Konfigurierung die Wettersituation mit enthält, die eintreffen wird.
Bild 3 Trefferwahrscheinlichkeit und Fehlalarmquote von altem Verfahren (schwarz) und neuem Verfahren (blau/gelb) © Foto: Hydro & Meteo GmbH & Co. KG
Bild 3 Trefferwahrscheinlichkeit und Fehlalarmquote von altem Verfahren (schwarz) und neuem Verfahren (blau/gelb)


Test an den Binnengewässern von Hamburg

Die Nutzung dieser Ensemblevorhersagen wurde für die Warnung an den hamburgischen Binnengewässern untersucht, für die der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) ein Warnsystem betreibt (www.wabiha.de). Für die Warnung für die hamburgischen Binnengewässer wurde festgelegt, dass diese sich an der höchsten Niederschlagsvorhersage aus allen Ensembles orientiert. Dieser Wert wird dann als maximal zu erwartender Niederschlag genutzt, um mit den aktuellen Pegelständen verglichen zu werden und daraus eine Gesamtwarnung je Pegel zu berechnen. Diese folgt einer Zuordnungsmatrix, die aus Erfahrungswerten des LSBG hergeleitet wurde (Bild 4).

Die so erzeugte Warnung ist deutlich besser als die bisher verwendete Warnung, die allein auf COSMO-D2 beruhte. Für den Sommer 2017 wurde eine Auswertung von Vorhersagen auf Basis der COSMO-DEDaten und COSMO-DE-EPS in Kombination mit den Nowcast-Ensembles durchgeführt, die dieses bestätigte /2/. Während der Anteil der Fehlalarme (false alarm ratio) etwa gleich hoch ausfällt wie bei den mit COSMO-D2 erzeugten Warnungen, kann die Trefferwahrscheinlichkeit (hit rate) erhöht und für einen längeren Vorhersagezeitraum auf einem hohen Niveau gehalten werden. Während vorher die Schwelle von 50 % Trefferwahrscheinlichkeit nach vier Stunden unterschritten wurde, sind es mit dem neuen Verfahren über 12 Stunden.
Bild 4 Zuordnungsmatrix der Warnstufen des LSBG © Foto: Hydro & Meteo GmbH & Co. KG
Bild 4 Zuordnungsmatrix der Warnstufen des LSBG


Fazit

Das neue Warnsystem ist operationell seit Sommer 2018 im Testbetrieb und wird 2019 in den Standardbetrieb des LSBG Hamburg überführt. Die Vorhersagedaten aus dem Projekt stehen aktuell für ganz Norddeutschland zur Verfügung. Die vorgestellten Verfahren sind auf alle Standorte in Deutschland übertragbar. HST und hydro & meteo werden eine Verknüpfung dieser Verfahren mit dem Portal NiRA.web vornehmen. Für Einzugsgebiete der Kunden von HST wird so das verbesserte Starkregenvorhersagemodell ebenfalls verfügbar.

Literatur

/1/    Baldauf, M.; Gebhardt, C.; Theis, S.; Ritter, B.; Schraff, C. (2018): Beschreibung des operationellen Kurzfristvorhersagemodell COSMO-D2 und COSMO-D2-EPS und seiner Ausgabe in die Datenbanken des DWD
/2/    Jasper-Tönnies, A.; Hellmers, S.; Einfalt, T.; Strehz, A.; Fröhle, P. (2017): Ensembles of radar nowcasts and COSMO-DE-EPS for urban flood management
/3/    Water Science and Technology, 2017(1), 27–35
/4/     Tessendorf, A. & Einfalt, T. (2012). Ensemble radar nowcasts-a multi-method approach. International Association of Hydrological Sciences Publications, 351, 305–310

Ein Beitrag von Thomas Einfalt, Hydro & Meteo GmbH & Co. KG, Lübeck
Infos zum Niederschlagsportal NiRA.web unter hst.de/NiRAweb

Fachartikel aus wwt wasserwirtschaft wassertechnik Nr. 1-2/2020

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