Coronamonitoring über den Abwasserpfad
Vor die Welle kommen
Unter dem Titel „Warum montags der Inzidenz nicht zu trauen ist“ hat der Spiegel am 20. Juni begründet, warum er zukünftig sonntags und montags auf die Veröffentlichung von Inzidenzen verzichten wird – Hintergrund sind die fehlenden Meldungen vieler Bundesländer am Wochenende. Zudem werden positive Schnelltests sehr häufig nicht mehr durch PCR-Tests bestätigt. Nur diese fließen aber in die amtliche Statistik ein. Bereits Mitte April schätzten Fachleute, dass die reale Inzidenz um das 1,8-bis zweifache höher liegt als die statistisch ausgewiesene. Aktuell dürfte dieser Faktor deutlich höher liegen. Der von der Bundesregierung beschlossene Eigenanteil in Höhe von drei Euro für den Bürgertest ab Juli wird die Testzahlen zudem zukünftig noch weiter sinken lassen. Über den Abwasserpfad können hingegen alle Corona-Infektionen nachgewiesen werden, vollkommen unabhängig von PCR- und Schnelltests. Abwassermonitoring hat in zahlreichen Projekten seine Zuverlässigkeit eindrucksvoll nachgewiesen.
Die Kosten eines entsprechenden bundesweiten Systems sind überschaubar. Für aussagekräftige Daten müssen nicht alle Kläranlagen beprobt werden. An die 900 größten Kläranlagen des Landes sind gut 80 Prozent der Bevölkerung angeschlossen. Die regelmäßige Beprobung des Zulaufs dieser Anlagen kann schnell, kostengünstig und umfassend das reale Bild der Coronasituation in Deutschland widerspiegeln.
Ein weiteres Plus stellt der Mutationsnachweis da. Die aktuell dominierenden Omikron-Subtypen BA.4 und BA.5 wurden in Österreich bereits Mitte April im Abwasser festgestellt. Zudem kann auch die Verbreitung der einzelnen Varianten konkret bestimmt werden. Emschergenossenschaft und Lippeverband beproben aktuell auf fünf Kläranlagen, auf allen konnten bereits Anfang Juni für die Subtypen BA.4 und BA.5 Anteile von über 50 Prozent nachgewiesen werden.
Trotz aller Vorteile stockt die Umsetzung des Abwassermonitorings in der Fläche. Abwassergebühren sind zweckgebunden, die Probenahme und Analyse darf nicht über die Abwassergebühren finanziert werden. Die bisherigen durchweg positiven Ergebnisse stammen aus geförderten und zeitlich begrenzten Forschungsvorhaben sowie von 50 mit EU-Mitteln finanzierten Pilotstandorten. „Der Bund muss angesichts stetig neuer Mutationen und vor allem der kommenden kälteren Jahreszeit schnellstens die Finanzierung klären“, betont Paetzel. „Denn nur über ein flächendeckendes Monitoring in Kläranlagen lassen sich verlässliche Zahlen über das Pandemiegeschehen schnell und umfassend gewinnen. Die Daten müssen aber auch in die jeweiligen Pandemiestrategien der Gesundheitsbehörden integriert werden. Nur dann ist ein flächendeckendes Abwassermonitoring sinnvoll.“
Ein flächendeckendes Abwassermonitoring wird auch von den Gesundheitsministern der G7-Staaten gefordert. Am 20. Mai haben die G7-Gesundheitsminister sich in Berlin dafür ausgesprochen, Abwasser-monitoring zu nutzen und sektorübergreifende Genomsequenzierungs-netzwerke und –kapazitäten aufzubauen. Konkret heißt es in dem G7 Health Ministers’ Communiqué „…verpflichten wir uns, Optionen zu prüfen, um die nationalen Behörden bei den Bemühungen zur Implementierung nicht-invasiver Methoden wie nationale Abwasserüberwachungssysteme zu unterstützen und dabei die raschen Verbesserungen der Infrastruktur für das Abwasserscreening zu nutzen, die sich während der der COVID-19-Pandemie entwickelt haben“. Die G7-Gesundheitsminister spannen den Bogen dabei über Corona hinaus, auch Polioviren, Influenzaviren und arzneimittelresistente Krankheitserreger sollen in das System integriert werden. Zeithorizont: 2024. Die Wasserwirtschaft steht bereit!